Stolpersteine in Britz verlegt

02.09.2021 10:17 von Redaktion

Angesichts des erstarkten Rechtspopulismus und Rechtsextremismus in Deutschland, der mittlerweile mit der AfD im Parlament vertreten ist, und im Hinblick auf den rechten Terror in Neukölln, sind Stolpersteinverlegungen mehr denn je ein wichtiges Zeichen dafür, dass sich eine Demokratie gegen jene wehren muss, die sie verachten und zerstören wollen. 

Die zwei Stolpersteine, die am 28. August ins Pflaster gelassen wurden, erinnern uns an das Ehepaar Elfriede und Werner Schaumann. Elfriede „Friedel“ Schaumann, geb. Topp, wurde am 19. Mai 1915 in Malchin in Mecklenburg-Vorpommern geboren. Nach Ende des Ersten Weltkrieges siedelte die Familie 1918 nach Neukölln um. Hier wuchs Elfriede Schaumann auf und ging auf die Volksschule. Nachdem sie als Hausangestellte arbeitete, war sie von 1931-1934 arbeitslos und engagierte sich im Arbeitersportverein „Fichte-Berlin“ (ASV). Gleichzeitig war sie Mitglied in der in Berlin ansässigen Internationalen Arbeiterhilfe (IAH), die in den 20er und 30er Jahren notleidenden Arbeitern soziale Hilfen bereitstellte. Aufgrund ihrer Aktivitäten in dem ab 1933 verbotenen ASV wurde Elfriede wegen „Vorbereitung zum Hochverrat“ von der nationalsozialistischen Justiz angeklagt. Aus Mangel an Beweisen wurde sie freigesprochen. 1936 lernte Elfriede den Kommunisten Werner Schaumann kennen. Das Paar heiratete 1938. Elfriede Schaumann wurde am 10. September 1942 an ihrem Arbeitsplatz von der Gestapo verhaftet. Aufgrund des dringenden Verdachts einer staatsfeindlichen Betätigung wurde sie im Polizeigefängnis am Alexanderplatz verhört. Vier Tage später wählte sie für sich den Tod als Ausweg, um der Folter zu entgehen - sie wollte die Mitglieder ihrer Widerstandsgruppe in Britz schützen und ihre menschliche Würde bewahren.

 

Der 1908 in Berlin geborene Werner Schaumann war Gärtner. Politisch engagierte er sich ebenfalls in der (IAH) und trat 1932 in die KPD ein. Mit Beginn des NS-Regime musste er in die Illegalität abtauchen. In der gemeinsamen Wohnung von Elfriede und Werner in der Talberger Str. 10i traf sich fortan eine antifaschistische Widerstandsgruppe. Die Gruppe stand in Kontakt mit anderen Widerstandszirkeln und verbreitete Flugblätter und Schriften gegen das NS-Regime. Am 23. Mai 1942 wurde Werner Schaumann jedoch von der Gestapo verhaftet. Nach „verschärften“ Vernehmungen mit Folter, verurteilte ihn der Volksgerichtshof am 5. Februar 1943 wegen „Vorbereitung zum Hochverrat und Feindbegünstigung“ zum Tode. Am 11. Mai 1943 wurde Werner Schaumann in der Strafanstalt Plötzensee hingerichtet.

Das darf nie wieder geschehen“, lautet das Credo der 99jährigen Holocaust-Überlebenden Margot Friedlander, die einen Tag vor der Stolpersteinverlegung in der Genezareth Kirche im Schillerkiez aus ihrem Buch „Versuche dein Leben zu machen. Als Jüdin versteckt in Berlin“ las. Sie verlor Mutter, Bruder sowie den getrennt von der Familie lebenden Vater und hatte das KZ Theresienstadt überlebt. Sie war erst elf Jahre alt, als die NSDAP bei den Reichstagswahlen 1932 stärkste Kraft wurde. Auch die NSDAP ist durch eine demokratische Wahl an die Macht gekommen und hat schließlich die erste Demokratie Deutschlands mit brachialer Gewalt und Terror gegen Andersdenkende zerstört. Von daher galt es damals wie heute, von Anfang an Rechtsextremen und ihren fremdenfeindlichen und rassistischen Positionen entschieden entgegenzutreten. Das hat auch der Kasseler Regierungspräsident Walter Lübcke (CDU) getan und Störern einer Informationsveranstaltung zu Flüchtlingsunterkünften am 14. Oktober 2015 christliche Werte entgegengestellt. Dafür wurde er weiter beschimpft, sah sich Hassreden in den sozialen Medien ausgesetzt und wurde schließlich von dem Rechtsextremen Stephan Ernst aus nächster Nähe von hinten mit einem Kopfschuss getötet. Neben diesem populären Opfer sind mehr als Hundert weitere Opfer zu beklagen, die aus fremdenfeindlichen und rassistischen Motiven getötet wurden. Der Anschlag von Hanau mit neun Toten (19.02.20) und der glücklicherweise missglückte Anschlag auf eine Synagoge in Halle am 09. Oktober 2019 sind Beispiele dafür, worin Hassreden gegen Fremde oder Andersgläubige münden können: in rechtsextremen Terror. Und dem gilt es auch heute entschieden entgegenzutreten. Auch und gerade durch eine Erinnerungskultur, die die AfD am liebsten weg hätte. Dabei sind die Formen des Widerstands vielfältig. So haben die SPD Neukölln, Bündnis 90/Die Grünen Neukölln, CDU Neukölln und DIE LINKE Neukölln bereits am 17. August des Jahres gemeinsam erklärt, dass sie im Wahlkampf an keinen Diskussionsveranstaltungen teilnehmen, an denen auch Vertreter der AfD, der NPD oder des „Der III. Weg“ teilnehmen. „Mit der AfD sitzt eine rechtsextreme Partei seit 2016 in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV). Wir haben in den vergangenen fünf Jahren erlebt, wie diese Partei strategisch durch Beleidigungen, bewusste Störungen, Hetze und Hass immer wieder den Ablauf der Bezirksverordnetenversammlung stört, um die Arbeit der gewählten Bezirksverordneten für die Neuköllner zu behindern. Unzählige Sondersitzungen sind nötig, um das von der AfD initiierte Chaos zu beseitigen. Deren Ziel ist klar: Die bewusste Zerstörung unserer Demokratie und die Verächtlichmachung und Diffamierung ihrer Vertreterinnen und Vertreter“, heißt es in der Erklärung. Die AfD ringe nicht um gute Lösungen für den Bezirk, sondern suche die Provokation. „Sei es in Form persönlicher Angriffe, durch rassistische und menschenverachtende Redebeiträge oder durch die Verbreitung von Fake News“, so die gemeinsame Erklärung. Also, wehret den Anfängen, heißt die Devise, damit sich Geschichte nicht wiederholt und nicht zum zweiten Mal in der Deutschen Geschichte die Demokratie zerstört wird.

 

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