„..vergiss die Photos nicht, das ist sehr wichtig...“

14.09.2022 13:38 von Redaktion

Unter dem Titel »...vergiss die Photos nicht, das ist sehr wichtig...« Die Verfolgung mitteldeutscher Sinti und Roma im Nationalsozialismus“ läuft gerade eine sehr sehenswerte Ausstellung im Obergeschoss im Rathaus Neukölln, die bis zum 23. September gezeigt wird.

Im Mittelpunkt der zweisprachigen Wanderausstellung (Deutsch/Englisch) stehen neun Familien, von denen der Fotojournalist Hans Weltzel in den 1930er Jahren Fotografien in Dessau-Roßlau anfertigte. Zu den Lebensmittelpunkten einiger dieser Familien, die vom Wandergewerbe lebten, gehörte auch Berlin. Nach der Ausweisung von über 70 Sinti aus Anhalt Anfang 1938, zwangen Gestapo und Kriminalpolizei die Männer, Frauen und Kinder in das „Zigeunerlager am Holzweg“ in Magdeburg. Einige widersetzen sich, gingen nach Berlin zurück, wo sie jedoch in das Lager Marzahn gezwungen wurden. Im Juni 1938 setzten gezielte Einweisungen in Konzentrationslager und im März 1943 Deportationen in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau ein. Die Mehrzahl der Porträtierten überlebte den Völkermord an Sinti und Roma nicht. Die Ausstellung zeichnet Erfahrungen deutscher Sinti und Roma während des Nazi-Regimes nach und informiert über die nationalsozialistische Verfolgung.

Zur Eröffnung der Ausstellung sprachen Nachfahren der Opfer des Völkermords. Dabei wurde deutlich, dass die Diskriminierung von Sinti und Roma auch nach 1945 weitergehen, worunter die Menschen bis heute leiden, wie Margitta Steinbach in ihrer Rede im Saal der Bezirksverordnetenversammlung berichtete. Sie entstammt der Sinti Familie Steinbach, über deren Schicksal die Ausstellung auch berichtet. Viele ihrer Vorfahren haben das „Zwangslager Marzahn überlebt, wurden dort befreit und mussten noch vier weitere Jahre an diesem grausamen Ort leben, bis man von Seiten der Behörden sich dazu herabließ, ihnen in Friedrichsfelde Wohnraum zu geben“, berichtet sie. Auch wenn es schwer falle, „sich dieser Vergangenheit zu stellen“, sei es 77 Jahre nach der Befreiung an der Zeit, sich diesem Trauma zu stellen und ihm zu begegnen. Steinbach tut dies im Verein Menda Yek. Dabei fordert sie ein, dass man die Familienangehörigen respektive die Nachfahren der durch das NS-Regime verfolgten mit in die Forschung einbindet, bevor Bilder von ihnen aus Arichiven öffentlich gemacht werden. „Wir haben ein Recht auf das Erbe von unseren Großeltern und Eltern, es zu schützen und es zu bewahren, so wie sie es sich gewünscht hätten und wie es nach unseren Traditionen sein sollte. Wir fordern Achtung unseres Andenkens und Respekt gegenüber unseren Toten, wenn sie ohne ihr Wissen ausgestellt und sichtbar gemacht werden“, fordert sie verständlicherweise. Denn damit wird „von Nicht-Sinti ein Tabu gebrochen. Unsere Totenruhe und unser Totengedenken unsensibel und taktlos zu ignorieren und damit vorhandene Traumata zu reaktivieren“. Bei der Konzeption der Ausstellung ist das geschehen, was selbstverständlich sein sollte. Die Nachfahren wurden von der Konzeption der Ausstellung bis hin zur Ausstellungseröffnung mit einbezogen. 

Die Ausstellung kann bis zum 23.9. 22 im Rathaus Neukölln Montag bis
Freitag, 8 – 20 Uhr, im 2. Stockwerk im Rathaus Neukölln besichtigt werden. Sie ist ebenso Teil eines Geschichtsprojekts der Stadtteilmütter.

 

 

 

 

 

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