Wunden im Gehweg

07.11.2017 19:08 von Stephanus Parmann

Die Schändung der Stolpersteine wird nicht hingenommen

Entwendung des Stolpersteins für Wienand Kaasch, Foto: Hufeisern

„Wie Wunden im Gehweg sehen sie aus: seit gestern klaffen an 12 Orten im Bezirk, vor allem in der Britzer Hufeisensiedlung, Löcher – dort wo engagierte Bürgerinnen und Bürger und Neuköllner Schulklassen gemeinsam mit dem Künstler Gunter Demnig Stolpersteine für die Opfer des Nazi-Regimes verlegt hatten“ – Neuköllns Bezirksbürgermeisterin Dr. Franziska Giffey (SPD) ist entsetzt über die Schändung von 16 Stolpersteinen in Neukölln. Hier im Bezirk sind in den vergangenen 15 Jahren mehr als 200 Stolpersteine durch bürgerschaftliches Engagement verlegt worden. So macht das Erinnerungsprojekt Stolpersteine des Kölner Künstlers Günther Demnig täglich im Straßenbild von Neukölln auf die persönlichen Schicksale von überwiegend jüdischen Opfern des Nationalsozialismus aufmerksam. Jeder einzelne Stein symbolisiert die Leerstelle, die entstand, weil ein Mensch von den Nationalsozialisten gewaltsam aus seiner Nachbarschaft gerissen wurde.

Bei den 12 gewaltsam entfernten Stolpersteinen wurden zwischen 2008 und 2017 verlegt. In der Hufeisensiedlung sind es die sieben Stolpersteine für Stanislaw Kubitzki, Hans-Georg Vötter, Wienand Kaasch, Rudolf Peter, Gertrud Seele, Heinrich Uetzfeld und Georg Obst. „Initiiert und gespendet wurden die Steine von Klassen aus der Fritz-Karsen-Schule, der Alfred-Nobel-Schule und der Albert-Einstein-Oberschule, den Gewerkschaften ver.di und IG Metall, der Britzer SPD sowie der Anwohnerinitiative Hufeisern gegen Rechts. Sie ruft zum 9. November um 17.00 Uhr zu einer Gedenkveranstaltung vor der ehemaligen Albrecht-Dürer-Apotheke in der Buschkrugallee 179 auf unter dem Motto: „Nie wieder Rassismus! Nie wieder religiös oder politisch motivierte Gewalt!“ auf. Fünf weitere Stolpersteine, so jene für Paul Wilhelm Fürst in der Bruno-Bauer-Straße, für Else und Johanna Grand in der Rungiusstraße sowie für Arthur und Lucie Tana Hecht in der Steinbockstraße sind ebenfalls entwendet worden. In der Buschkrugallee wurden die Steine für Benno, Hedwig, Erwin und Siegfried Wittenberg gelockert, sind aber noch an Ort und Stelle. Auch Bezirksstadtrat Jan-Christopher Rämer (SPD) äußert sich zutiefst bestürzt: „Ich bin erschüttert über die gewaltsame Entwendung und Beschädigung der Stolpersteine. Wir werden alles daransetzen, diese umgehend zu erneuern. Ich rufe alle Bürgerinnen und Bürger auf, hierfür zu spenden. Selbstverständlich werden der Bezirk und auch ich ihren Beitrag hierzu leisten. Ich verurteile die Schändung der in Gedenken an die schon einmal zum Opfer gewordenen Menschen verlegten Stolpersteine auf das Schärfste. „Sich am größten Flächendenkmal Europas für die Ermordung der Jüdinnen und Juden und Widerstandskämpferinnen und Widerstandskämpfer zu vergreifen und Stolpersteine zu stehlen, ist an Dummheit, Geschichtsvergessenheit und Menschenverachtung kaum zu überbieten. Es ist einfach nur erschütternd“, betont Bezirksbürgermeisterin Giffey.

 Auch der Fraktionsvorsitzende der Neuköllner SPD Martin Hikel ist empört: „Durch die Zerstörung dieser Stolpersteine wollen Menschen die bürgerschaftliche Erinnerungskultur sabotieren und ein Klima des Hasses etablieren. Das ist abscheulich und wir als SPD-Fraktion verurteilen diese Verbrechen aufs Schärfste. Wir nehmen das nicht hin und spenden deshalb den symbolischen Betrag von 120 € für zehn entwendete Stolpersteine“, so Hikel. Hass hat in unserem Neukölln keinen Platz und ich hoffe, dass diese Verbrecher so schnell wie möglich dingfest gemacht werden.“ Viele Bürger des Bezirks hatten sich mit Informationen und Hinweisen an das Bezirksamt, das Landeskriminalamt und die Stolpersteinstelle am Museum Neukölln gewandt. Sprachloses Entsetzen war dabei die vorherrschende Reaktion. Solche Taten, die das Gedenken an Menschen verunglimpfen, die unter dem Terror des Nationalsozialismus leiden mussten, zeugen von unmenschlicher Respektlosigkeit und blankem Hass. Das Bezirksamt Neukölln wertet diese kriminellen Delikte als ein Angriff auf die Staatsraison der Bundesrepublik Deutschland, die das Gedenken an die Opfer der Gewaltherrschaft der Nazis zu einem der höchsten Ziele erklärt hat.

Insbesondere teilt der Bezirk die tiefe Betroffenheit vieler Anwohner und der Angehörigen. „Wir werden gemeinsam mit den politisch Engagierten im Bezirk und der Neuköllner Zivilgesellschaft alles dafür tun, dass die Lücken so schnell wie möglich wieder mit neuen Stolpersteinen geschlossen werden können“, verspricht Giffey.  Hierzu werden die Bürger des Bezirks aufgerufen, für die Neuverlegung der Stolpersteine zu spenden.

Spendenkonto: Bezirksamt Neukölln

Berliner Sparkasse

IBAN DE101005 0000 1410 0038 05

Verwendungszweck: Stolpersteine.

 

 

 

 

 

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