01.04.2014 08:40 von Stephanus Parmann
Auf den ersten Blick
Galerie im Körnerpark zeigt „Neue Bildnisse“ der Künstlerin Susanne Ritter
Wenn wir einem fremden Menschen begegnen, gewinnen wir einen ersten Eindruck von ihm. Schon bald aber verändert sich dieser Eindruck, ohne dass unser Gegenüber etwas dazu beiträgt. Das kann auf vielerlei Art geschehen. Wir packen den oder die Fremde in eine Schublade, wegen seiner oder ihrer Kleidung. Wir projizieren Wünsche auf unser Gegenüber oder Furcht und Ängste, oder gar Gleichgültigkeit, um nur einige Beispiele zu nennen. Demgegenüber stellt Susanne Ritter mit ihren Porträts den ersten Eindruck in den Vordergrund.
Die erste Einzelausstellung der Mainzer Malerin Susanne Ritter in Berlin präsentiert großformatige, realistisch gemalte Brustbilder von jungen, meist modisch gekleideten Menschen, die wir überall – auch in Neukölln – antreffen könnten. Wie kommt es aber, dass die Porträtierten trotzdem wirken, als gehörten sie einer anderen Realität an? Susanne Ritter will diesen ersten Eindruck von einem Menschen bewahren und „ein Bild nicht erfinden“, sagt sie. Sie kennt die Menschen nicht, die sie malt und will sie auch nicht kennen. „Ich sehe meine Modelle erst wieder, wenn das Bild fertig ist“, erzählt sie während der Vernissage, der auch Neuköllns Leiterin des Fachbereichs Kultur des Bezirksamts, Dr. Katharina Bieler, beiwohnt. Von daher nennt Susanne Ritter ihre Bilder auch nicht Porträts, sondern sinnigerweise „Bildnisse“. Und doch scheinen durch diese Bildnisse lebendige Persönlichkeiten. Im Unterschied zum klassischen Porträt jedoch wählt Susanne Ritter den Weg, das Wesen der Persönlichkeit nicht durch das Erforschen des Gegenübers zu ergründen, sondern bleibt beim ersten und ungeschminkten sinnlichen Eindruck, den sie ausformt. Sie findet ihre Modelle auf der Straße, fotografiert oder zeichnet sie und malt sie anschließend. Dabei geht es der Künstlerin zunächst um das Erfassen der lebendigen Physiognomien und ihrer charakteristischen Züge. Im Prozess des Malens schließlich vertieft sich dieser erste Eindruck durch Farbgebung, das Hervorheben bestimmter modischer Elemente und durch die starke Vergrößerung. Was jedoch gänzlich fehlt, sind Accessoires und Landschaften im Hintergrund, die auf das vermeintliche Wesen der abgebildeten Personen hinweisen und es doch einschränken. Die Personen erscheinen einzig vor einem farblich gestalteten Hintergrund, der sich während und ohne Zielführung beim Malen entwickelt. Susanne Ritter verwendet Eitempera und eine Acryl-Lasurtechnik und erreicht mit diesen alten Techniken eine erstaunlich sinnliche Präsenz der Dargestellten, die die Fotografie so nicht realisieren kann. So entsteht durch die Malerei ein imaginärer Raum, eine eigene Realität, in der sich das Wesen des Menschen hinter dem Abbild immer wieder neu erahnen lässt. Malend hebt Susanne Ritter die Modelle aus ihrem alltäglichen Kontext in eine andere Dimension. Was aber bleibt für den nachdenklichen Betrachter der Bildnisse? Sie sind Manifestation der Erinnerung und erinnern uns daran, offen zu bleiben für das Wesen des Anderen, des Fremden. Sie sind einem lebensbejahenden Menschenbild verpflichtet, das die Lebendigkeit und das Selbstbewusstsein des Gegenübers in den Mittelpunkt rückt.
Die Ausstellung „Neue Bildnisse“ verwandelt die Galerie im Körnerpark in eine lange Bildnisgalerie, in der sich eine Vielzahl individueller Gestalten versammeln. Die herbe Schönheit der Bildnisse wird von einer Klangskulptur des Sound-Künstlers Kaspar König begleitet. Sie erklingt auf dem galerieeigenen Flügel, wenn sich die Besucher dem Instrument nähern.
Susanne Ritter wurde 1945 in Düsseldorf geboren, lebt und arbeitet in Mainz und studierte Malerei bei Prof. Klaus-Jürgen Fischer und Prof. Werner Tübke. Sie ist Mitglied im Deutschen Künstlerbund und nahm bereits an der ersten und zweiten Realismus-Triennale 1993 und 1996 im Berliner Martin-Gropius-Bau teil. Außerdem gab es Einzelausstellungen und Ausstellungsbeteiligungen, so in Mainz, Frankfurt am Main, Düsseldorf, Bremen, München und Paris.
Kaspar König wurde 1975 in Maastricht in den Niederlanden geboren. Er lebt und arbeitet in Zürich als freischaffender Komponist und Klangkünstler. König studierte an der Universität der Künste in Berlin und der Hochschule für Musik in Mainz. Er komponierte für zahlreiche Tanz- und Theaterproduktionen und entwickelte Klangkunst- Installationen und Performances.
GALERIE IM KÖRNERPARK
Susanne Ritter – Neue Bildnisse
bis 04.05.2014 (18.00 Uhr)
Finissage Sonntag, 4. Mai 2014, 17 Uhr – mit der Live Performance „Instant Distantplay“ von Kaspar König
Schierker Straße 8, 12051 Berlin, Tel: 030 5682 3939, Di – So: 10-18 Uhr (ab April bis 20 Uhr)
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