20.11.2022 23:56 von Redaktion
Wer derzeit in Rudow unterwegs ist, muss nicht lange warten, bis er als Fußgänger auch auf breiteren Gehwegen knapp von einem E-Scooter überholt wird, der mit flottem Tempo vorbeifährt. Tag für Tag eine gefährliche Situation, schon weil man als Fußgänger oder Fußgängerin nicht bei jedem kleinen Schritt zur Seite den Schulterblick praktiziert. Seit Juni dieses Jahres sind E-Scooter auch südlich des S-Bahnrings und in Rudow präsent. Das allerdings löst nicht bei allen Bürgern Freude auslöst. „ Man hört die E-Scooter nicht, wenn sie auf dem Gehweg an einem vorbeifahren und erschreckt sich“, sagt der Rudower Senior Manfred Ziemer. Und Jutta Kendzia aus Rudow stört, „dass die E-Scooter oft Gehwege blockieren, so etwa im Freigutweg, wo jemand mit Kinderwagen nicht mehr vorbeikommt, ohne auf die Straße auszuweichen“. Das käme nicht vereinzelt vor, sondern sei über einen längeren Zeitraum zu beobachten. „E-Scooter und Fahrräder (ohne Kinder) haben nichts auf Gehwegen verloren, sagt Bezirksbürgermeister Hikel. Das sei gefährlich für alle, die zu Fuß unterwegs sind und führe zu ständigen Konflikten. „Stattdessen brauchen wir ein besseres Miteinander!“ Um dafür zu werben, wurden vom Bezirk am 24. September vergangenen Jahres im Rahmen eines Pilotprojekts in fünf problematischen Bereichen auf Gehwegen 50 Piktogramme gesprüht: Sie zeigten durchgestrichene E-Scooter beziehungsweise Fahrräder und sollten klar machen, dass Roller und Fahrräder nichts auf dem Gehweg zu suchen haben. Parallel sollte das Neuköllner Ordnungsamt verstärkt die Gehwege kontrollieren, Präventionsgespräche führen und Verwarnungen aussprechen. Die Auswertung des Projekts liegt mittlerweile vor. Die Piktogramme hätten erstmal sehr positiv gewirkt, häufig seien Radfahrende beziehungsweise E-Scooter-Fahrende an den Piktogrammen abgestiegen oder seien auf den Radweg gewechselt. Die Reaktionen aus der Bevölkerung zu der Maßnahme seien ebenfalls recht positiv verlaufen. Parallel wurden einige Posts in Deutsch und Englisch in sozialen Medien gespielt unter dem Motto #BESSERMITEINANDER, um die gegenseitige Rücksichtnahme im Straßenverkehr zu betonen. Auch dies habe ein vergleichsweise positives Echo bewirkt.
Das Ordnungsamt begann bereits 2021 E-Scooter, die eine Behinderung darstellen, zu entfernen. Gleichzeitig wurden entsprechende Anzeigen gefertigt. Im Jahr 2021 seien in dieser Sache insgesamt 417 Anzeigen gestellt worden, 2020 waren es nur 5, so das Bezirksamt. Dem entsprechend seien viele eScooter umgestellt worden. „Falsch abgestellte E-Scooter wurden bei den regulären Kontrollen im Streifendienst stärker geahndet. Darüber hinaus fanden 10 Schwerpunktaktionen des Ordnungsamtes statt. Dabei wurde jeweils auch Radfahren auf dem Gehweg kontrolliert“, so die Auswertung. Insgesamt seien in 2021 1.460 Anzeigen gegen Gehwegradler vom Neuköllner Ordnungsamt gefertigt worden. „Mehr Kontrollen wären aufgrund der notwendig gewordenen intensiven Corona-Kontrollen nicht möglich gewesen. Das
Ordnungsamt werde weiterhin stark kontrollieren. Ob weitere Piktogramme auf Gehwegen aufgebracht werden, sei bislang nicht entschieden. „Falsch abgestellte E-Scooter auf den Gehwegen sind gefährlich. Wir haben gezeigt, dass es eine Handhabe
gibt: Bußgelder funktionieren und führen zu weniger Gefährdungen im Straßenverkehr. Unsere Aktion hat hoffentlich einige aufgeweckt, die sich nun im Straßenverkehr respektvoller verhalten. Aber langfristig wird es ohne Kontrollen des Ordnungsamtes nicht gehen. Deshalb werden wir weiterhin Anzeigen schreiben, wenn E-Scooter auf dem Gehweg benutzt werden oder den Gehweg blockieren“, so Hikel. In diesem Zusammenhang verwies der Bezirksbürgermister auch auf die neue Praxis des Neuköllner Ordnungsamtes, das falsche Abstellen von E-Scootern auf Gehwegen zu ahnden. Insbesondere bei Verkehrsgefährdungen - etwa wenn Leih-Scooter mitten auf dem Gehweg geparkt werden - werde ein Bußgeld von bis zu 30 Euro fällig. Auch Verkehrssenatorin Bettina Jarasch hat nun im Gegensatz zu ihrer Vorgängerin auf das Problem reagiert. Ab September des Jahres gilt: Für E-Tretroller und ebenso für Leih-Fahrräder soll es künftig immer mehr ausgewiesene und legitimierte Abstellflächen auf bisherigen Kfz-Parkplätzen geben, in deren Umfeld dann ein Abstellverbot gelte. Zudem würden die Anbieter verpflichtet, technische Lösungen zum geordneten Abstellen der Fahrzeuge einzuführen, sei es über einen obligatorischen Foto-Beleg oder zum Beispiel über exakte Ortungssysteme. Gemeinsam mit den Bezirken sollen dafür neue Abstellflächen im Straßenraum geschaffen werden, was bislang für Neukölln und andere Bezirke aussteht. Zudem werde in Abstimmung mit der BVG ein verstärkter Ausbau von Jelbi-Stationen und -Punktengeprüft, an denen unterschiedliche Fahrzeuge wie Autos, Räder und Roller per App gemietet werden können. Was noch fehlt, ist ein Bußgeldkatalog für Verstöße. Was noch offen ist: Wer soll das alles überprüfen, wenn die Ordnungsämter jetzt schon mit Aufgaben überfrachtet sind.
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