Rechte und Pflichten des Arbeitgebers und der Beschäftigten in Corona Zeiten

22.04.2020 06:41 von Redaktion

Durch die aktuelle Lage stellen sich aus arbeitsrechtlicher Sicht zahlreiche Fragen. Viele Beschäftigte sind unsicher, welche Pflichten zu erfüllen sind und wie der Arbeitgeber sie in der jetzigen Zeit schützen muss. Im Folgenden wirft Melanie Rittger, Fachanwältin für Familien- und Arbeitsrecht in Alt-Rudow 70 und AG Rudow Mitglied, einen besonderen Blick auf die gegenseitigen Rechte und Pflichten des Arbeitgebers und der Beschäftigten in Zeiten von Corona.

1. Muss der Arbeitgeber eine (mögliche) Corona-Infektion der Gesundheitsbehörde melden?

Zu Beginn der Corona-Krise in Deutschland hat der Gesetzgeber den  § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) erweitert und eine Meldepflichtverordnung „2019-nCoV“ erlassen. Das hat zur Konsequenz, dass nun selbst der bloße Verdacht einer Corona-Erkrankung gemeldet werden muss. Die Meldepflicht gilt jedoch nicht für den Arbeitgeber! Meldepflichtig sind in erster Linie der behandelnde Arzt und sonstiges medizinisches Personal. Das liegt daran, dass es sich bei Gesundheitsdaten um besonders sensible Daten handelt, die einem besonders hohen Schutzniveau unterliegen und nicht durch den Arbeitgeber weitergegeben werden sollen. Allerdings gelten für besondere Branchen wie der Lebensmittelbranche Spezialvorschriften.

2. Muss der Arbeitnehmer eine (mögliche) Corona-Infektion dem Arbeitgeber melden?

Sollte der Beschäftigte krank sein, oder besteht der Verdacht einer Corona-Erkrankung, wegen dem er sich in behördlich angeordneter Quarantäne befindet, muss der Beschäftigte seine Arbeitsunfähigkeit dem Arbeitgeber anzeigen und ihre voraussichtliche Dauer mittels Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nachweisen. Der Arbeitnehmer muss grundsätzlich nicht die ärztliche Diagnose offenlegen. Fragen des Arbeitgebers nach dem Gesundheitszustand des Arbeitnehmers müssen immer besonders gerechtfertigt werden, da sie stark in das  allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers und dessen Recht auf  informationelle Selbstbestimmung  eingreifen. In der aktuellen Lage sind andere Maßstäbe anzusetzen, da der Arbeitgeber gegenüber anderen Arbeitnehmern eine Schutz- und Fürsorgepflicht hat, die auch die gesundheitlichen Belange aller Arbeitnehmer umfasst. Eine  Pflicht zur Offenlegung  der ärztlichen Diagnose könnte daher zum einen aus der  Treuepflicht  des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber hergeleitet werden und außerdem auch durch die  Schutz- und Fürsorgepflicht  selbst.

Tipp: Möglich sind Zusatzvereinbarungen zum Arbeitsvertrag oder der Abschluss einer Betriebsvereinbarung, die zu einer Offenlegung der Corona-Infektion verpflichten. Ob es sich dabei um eine reine Empfehlung des Arbeitgebers oder eine rechtsverbindliche Pflicht des Arbeitnehmers handelt, ist im Einzelfall zu beurteilen.

Tipp: Bei der Corona-Erkrankung handelt es sich um eine meldepflichtige Erkrankung im Sinne des Infektionsschutzgesetzes.

Das bedeutet, dass bei einem positiven Befund der behandelnde Arzt dies unverzüglich unter Angabe von persönlichen Daten des Erkrankten dem zuständigen Gesundheitsamt mitteilen muss. Dieses verfügt über weitreichende Kompetenzen, die Maßnahmen zur Bekämpfung der Erkrankung – darunter auch im Betrieb des Arbeitgebers - einzuleiten.

3. Darf der Arbeitgeber Fiebermessungen bei Arbeitnehmern durchführen?
Eine Fiebermessung, beispielsweise durch eine Ohrtemperaturmessung, ist eine ärztliche Untersuchung. Eine mögliche Messung darf daher nur von einem (Betriebs-)Arzt oder dessen medizinischem Fachpersonal durchgeführt werden. Des Weiteren muss der jeweilige Arbeitnehmer der ärztlichen Untersuchung zustimmen und sein Einverständnis erklären. Ob ein Arbeitgeber zur  Corona-Prävention im Betrieb Fiebermessungen durchführen lassen kann, ist bisher nicht gerichtlich entschieden worden. Allerdings ist Fieber keine notwendige Bedingung für eine Erkrankung mit dem Corona-Virus. Eine erkrankte Person kann auch erst in einem späteren Stadium oder gar kein Fieber bekommen. Die Messungen sind damit wenig aussagekräftig für eine vorliegende Erkrankung. Es ist danach nicht geboten, flächendeckende Fiebermessungen im Betrieb als Präventionsmaßnahme einzuführen.
Gleiches gilt auch für das Husten oder Niesen am Arbeitsplatz. Es gibt nicht wenige Arbeitnehmer, die unter chronischen Atemwegserkrankungen oder im Frühjahr unter „Heuschnupfen“ leiden.
Tipp: Weisen Sie oder der Arbeitgeber regelmäßig darauf hin, dass Beschäftigte, die sich krank fühlen, lieber einen Tag zu Hause bleiben und sich krankmelden sollten, anstatt aus Pflichtgefühl zur Arbeit zu kommen.


4. Kann der Arbeitgeber sog. „Schnelltests“ von seinen Arbeitnehmern verlangen?
Nein, auch hierbei handelt es sich um eine  ärztliche Untersuchung. Eine verpflichtende 

Anordnung an den Arbeitnehmer, einen sog. „Schnelltest“ durchzuführen, ist unzulässig.
Des Weiteren gelten die derzeitigen am Markt erhältlichen „Schnelltests“ als unzuverlässig. Es ist also durchaus möglich, dass ein negatives Testergebnis angezeigt wird, obwohl die getestete Person bereits infektiös ist.

5. Darf ein Arbeitgeber Überstunden anordnen, wenn viele Arbeitnehmer krankheitsbedingt ausfallen?


Arbeitnehmer sind grundsätzlich nur dann zur Leistung von Überstunden verpflichtet, wenn sich das aus dem Tarifvertrag, einer Betriebsvereinbarung oder dem Arbeitsvertrag selbst ergibt. Ausnahme: In seltenen Fällen ist die Anordnung von Überstunden auch ohne vorherige Vereinbarung/Regelung möglich: Nämlich bei echten Not- und Katastrophenfällen – also bei existenzgefährdenden Ereignissen, die der Arbeitgeber nicht vorhersehen und kann und die nicht auf andere Weise abgewendet werden können. Das ist beispielsweise dann der Fall, wenn Mitarbeiter in systemrelevanten Berufen zu erheblichen Teilen an COVID-19 erkranken.
Für systemrelevante Berufe hat der Gesetzgeber nunmehr die Möglichkeit eröffnet, durch weitere Verordnungen Arbeitszeiten zu verlängern, wenn dies aufgrund der Corona-Krise notwendig ist, vgl. § 14 Abs. 4 Arbeitszeitgesetz. Die Regelung gilt aber nur bis zum Ende des Jahres 2020.

 

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