Jazz-Legende Coco Schumann ist Tod. Er ging in Rudow zur Schule

29.01.2018 18:28 von Stephanus Parmann

Coco Schumann, Foto: Stephanus Parmann

Tage wie diese gab es an dieser Schule nur selten. Am 22. Februar 2010 hatte das Hannah Arendt-Gymnasium in Rudow das legendäre Coco-Schumann-Quartett zu Besuch. Es swingte in der vollbesetzten Aula der Schule und sorgte mit seiner Musik für eine fantastische Stimmung. Coco Schumann spielte einst mit Louis Armstrong, Dizzie Gillespie, Paul Kuhn, Helmut Zacharias, Toots Thielmanns und vielen anderen Jazzgrößen und überzeugte auch an diesem Tag mit wunderbaren Soloeinlagen auf seiner Gitarre. Aber es gab auch Nachdenkliches, wie die Fragen der Schüler an den Jazzmusiker Schumann dokumentieren. Denn der damals fast 86-jährige legendäre Bandleader Coco Schumann, der acht Jahre in Rudow lebte und dort zur Schule ging, hatte eine bewegende Geschichte hinter sich. Nun ist er im Alter von 93 Jahren gestorben.

Geboren wurde Heinz Jacob Schumann 1924 in Berlin als Sohn einer jüdischen Mutter und eines christlichen Vaters. Bereits mit zwölf Jahren wurde der Junge Coco vom Swing-Virus infiziert, geheilt ist er bis heute nicht. Swing – für uns ist diese Musik gegenwärtig Normalität. Aber als Coco Schumann den Swing für sich entdeckte, galt er bereits als „Niggermusik“. Noch in den 50er Jahren und zu Beginn der Rockmusik warnten in Deutschland Kirchen, Schulbehörden und Politiker vor der obszönen Negermusik. Coco Schumann ließ sich von all dem wenig beeindrucken. Er und seine Mitstreiter in der Band „Mampes“ spielten selbst unter der NS-Herrschaft weiter im Berliner Groschenkeller Swing. Wenn die Gestapo kam, spielten sie auf  Zeichen und Pfiff des Türstehers „Rosamunde“. Als die Gestapo weg war, spielten die Mampes wieder die von den Nazis als „undeutsche, jüdische Negermusik“ verpönten Swing, erzählt Schumann. 1943 wird er jedoch denunziert, verhaftet und ins Konzentrationslager Theresienstadt deportiert. Es diente den Nazis als Sammel- und Durchgangslager für die Vernichtungslager im Osten. Dort spielte er in der Band die „Ghetto Swingers“. Wie es dazu kam, beantwortete Schumann in einer Fragerunde in der Rudower Aula.  „Ich trat in die Gruppe als Schlagzeuger ein, weil der bisherige Schlagzeuger mit einem Transport nach Auschwitz-Birkenau verschickt worden war.“ Sie spielten auf dem Markplatz und anderen Orten der ehemaligen Festung vor vielen Prominenten, die hier inhaftiert waren. Mit der Musik vermittelten sie den Menschen „ein Gefühl der Normalität, so Schumann. In seinem Buch „Ghetto Swinger“ bringt Schumann die Bedeutung des Musizierens im KZ auf den Punkt: „Die Kunst, die Musik, das Spiel dienten als direkte, einfache und komfortable Flucht aus dem furchtbaren Lageralltag. Gebraucht wurde nur, was die Häftlinge sowieso mitbrachten: ihr Können und ihr Handwerkszeug. Ich war ein Paradebeispiel. Wenn ich spielte, vergaß ich, wo ich stand. Die Welt schien in Ordnung, das Leid der Menschen um mich herum verschwand – das Leben war schön. Wir waren eine „normale“ Band und spielten für ein „normales“ Publikum. Wir wussten alles und vergaßen alles im gleichen Moment - für ein paar Takte Musik. Wir spielten für uns und unser Leben – wie alle in dieser Stadt, diesem grausamen, verlogenen Bühnenbild für Theateraufführungen, Kinderoper, Kabaretts, wissenschaftlichen Vorträgen, Sportveranstaltungen, für ein absurdes soziales Leben und ein skurril selbstverwaltetes Überleben in der Warteschlange vor den Öfen des Dritten Reiches.“ Auf die Frage, wann er Theresienstadt verlassen hat, antwortet Schumann, dass er eines Tages auf der Transportliste für Auschwitz stand. Auch für die Musiker gab es kein Erbarmen. Weder in Theresienstadt noch im Vernichtungslager Auschwitz. Auch dort musste er musizieren. Schumann saß am Tor und spielte auf Befehl der KZ“-Aufseher „La Paloma“ während die Häftlinge an ihm vorbei in die Gaskammern gingen“. Dass er Auschwitz überlebte, betonte er gegenüber den Schülern, verdanke er einem Schutzengel. Denn „Mitleid kannten die Aufseher nicht“, beantwortete er eindeutig die Frage einer Schülerin. Nach dem Krieg fand er wieder den Anschluss an die Jazzszene, spielte mit dem Berliner „Zaubergeiger“ Helmut Zacharias („Ich küsse ihre Hand Madame“), wurde der erste deutsche Musiker mit einer elektrisch verstärkten Gitarre und wanderte schließlich aus nach Australien, um nach einigen Jahren nach Berlin zurückzukehren. Aber in den 1990er Jahren kehrte Schumann mit Swing zurück und gründete das „Coco Schumann Quartett“. 2012 spielte es bei einem Festakt im Jüdischen Museum anlässlich der Unterzeichnung des neugefassten Entschädigungsabkommens zwischen der Bundesrepublik und der Jewish Claims Conference.

Nachdem Coco Schumann in Rudow mit den Schülern der 11.,12. und 13. Klassen des Hannah-Arendt-Gymnasiums über seine Erfahrungen in Auschwitz diskutierte, gab er mit seinem Quartett noch ein kleines Konzert, dass die Schüler begeisterte. Auf die Frage, wie ihm sein Besuch am Hannah-Arendt-Gymnasium gefallen hat, antwortete Coco Schumann: „Es war einfach großartig“.

Im dtv Verlag erschienen ist Coca Schumanns großartiges Buch: Der Ghetto Swinger, eine Jazzlegende erzählt. Online erhältlich über Rudows Buchhandlung Leporello unter:

https://www.genialokal.de/Produkt/Coco-Schumann/Der-Ghetto-Swinger_lid_1441727.html?storeID=lepoberl

 

 

 

 

 

 

 

 

Zurück

Einen Kommentar schreiben