„Mich kricht hier keener mehr wech“

11.03.2014 10:20 von Stephanus Parmann

Die Galerie im Saalbau zeigt „Heimisch“ von Barbara Caveng

Kennen Sie Pampsee? Pampsee ist ein idyllischer Ort in Vorpommern, ein Mekka für Kunstfreunde, der nun als Ausstellungsplattform des Kunstprojekts „Mich kricht hier keener mehr wech“ in der Galerie im Saalbau mit der Ausstellung „Heimisch“ seine Zelte aufgebaut hat. Hier hängen Topflappen an der Eingangstür und Stofftüten an den Wänden, stehen, von Fotografien auf Pappmaché transformierte Konterfeis der Pampseer in den Räumen. Oder diese zieren den mittigen Raum, an dessen Wänden Straßenkarten von Blankensee und Pampow hängen. Durch die Gestaltung der Räume bekommen wir eine Vorstellung, wie sich Pampsee – dessen gelbes Ortsschild im hintersten Raum auf den ersten Blick zu sehen ist – begründet und entwickelt hat. Nun gut. Den Kunstort Pampsee finden wir nicht auf der Landkarte. Und doch ist er wirklich, ist innerhalb eines halben Jahres Teil der Geschichte einer Gemeinde geworden, die den Namen Blankensee trägt.

Vor zehn Jahren, am 19. Februar 2004 wurde die Fusion der Orte Pampow und Blankensee beschlossen, am 13. Juni 2004 wurde sie Fakt. Was liegt da näher, als den Kunstort Pampsee zu nennen, um die zwei „zweckverheirateten“ Ortsteile Blankensee und Pampow mit einem neuen Namen zu beehren? Gesagt, getan. Auf 250 Quadratmetern wird die große von Wäldern gesäumte Kunstgemeinde Pampsee mit einem Festakt und der Musik einer Waldhorngruppe feierlich eingeweiht. Fortan weist ein gelbes Normstraßenschild auf Pampsee hin, das direkt am Oder-Neiße Radweg und dicht an der polnischen Grenze, etwa 10 km von Stettin entfernt liegt. Doch auch ein Kunstort wird nur wirklich ein Raum, in dem sich die Menschen heimisch und vertraut fühlen, wenn sie sich in ihm vergegenständlichen. Wenn sie in ihm gemeinsam etwas schaffen, das Vergangenheit und Gegenwart miteinander verbindet und in die Zukunft weist. Etwas, von dem die Nachkommen später auch dann noch reden, wenn es nicht mehr ist. So entsteht der Kunstkiosk als „Wir Projekt“ (Barbara Caveng). Die Absicht die Künstlerin: „Euer Dorf lächelt nach innen, Ich möchte ihm ein Gesicht geben. Sein Lächeln nach außen kehren.“ Gemeinsam mit ihr entwickeln die Dorfbewohner beider Ortsteile Ideen und erfüllen sich einen Wunsch. Die Grenzregion leidet unter wirtschaftlich schwierigen Verhältnissen, die ihre Auswirkung auf die örtliche Infrastruktur haben. Von einstmals 700 Einwohnern ist er auf 570 Einwohner geschrumpft, und es gibt weder nahe gelegene Supermärkte noch einen Ort, wo einer mal im Vorbeigehen einen Kaffee trinken gehen kann. Einzig eine Gaststätte gibt es noch. So entsteht im Kunstort Pampsee mit dem Kunstkiosk, einem alten DDR-Bauwagen, der aufgemöbelt wird, ein behaglicher Ort. Ein Ort mit herrlich duftendem Kaffee, hausgemachten Kuchen und regionalen Spezialitäten wie den Wildwürsten. Und draußen vor dem Kiosk stehen die Sonnenschirme der „Sonnenschirmgruppe“ von Pampsee. Unter ihnen sitzen nun die Radtouristen und genießen ihre Pause. Wie fest der Kiosk als Herzstück von Pampsee nun verankert ist, darauf hin deutet in der Ausstellung auf dem Kiosk-Miniaturnachbau der Spruch „Mich kricht hier keener mehr wech“. Er ziert im Ort Pampsee die 11 Meter hohe Holzskulptur am Festplatz, die aus regionstypischen Brennholz-Mieten, also großen Stapeln abgesägter Baumstämme gestaltet wurde. Sie wird im hinteren Raum der Galerie repräsentiert, wo Besucher Pampsees auf den von Mitgliedern der „Holzbrigade“ zurechtgesägten Holzstämmen sitzen können. Der Spruch selbst entstammt den „Heimsuchungen“, die die Künstlerin macht, nach dem sie selber in ihrer temporären Wohnung heimisch wurde. Für ihre temporäre Wohnung bat sie die deutschen und mittlerweile jungen polnischen Bewohner um Leihgaben. Es ihr erstes Eintauchen in die Geschichten der Bewohner. Die Übergabe der Leihgaben für die Künstlerin wurde zur ersten großen Performance. Wer  den Ort besuchen möchte, kann gerne in der Künstlerwohnung wohnen, verspricht Blankensees Bürgermeister Alfons Heimer auf der Vernissage in Berlin, während er die Vorzüge des ruhigen Ortes für gestresste Großstädter preist.  

Bei den Heimsuchungen interviewte Barbara Caveng die Bewohner, die ihr Geschichten erzählten vom Leben hier. Geschichten, die auf der Ausstellung in Neukölln an verschiedenen Stationen zu hören sind. Zunächst wollte Caveng mit begeisterter Zustimmung der Bewohner die markanten Zitate aus den Heinsuchungen auf die Landstraße schreiben, doch die Verkehrsbehörde war dafür nicht zu begeistern. So fanden sie am Kunstkiosk einen Ort. Leider scheiterten alle Versuche, den zum Kiosk umfunktionierten Bauwagen nach Berlin zu holen, erzählt uns Kulturamtsleiterin Dr. Katharina Bieler, dafür steht in der Ausstellung aber ein gelungener Nachbau auf einer Kommode, ein kleines Dankeschön der Teilnehmer an die Künstlerin.

Barbara Caveng hat es mit dem von der Stiftung Kulturlandschaft gestifteten sechsmonatigen Stipendium für das Kunstprojekt „Heimisch“, das im Rahmen von „Kunst fürs Dorf“ vergeben wurde, vermocht, die Bewohner der beiden Orte zusammenzubringen. Ein Beispiel dafür ist eben die Sonnenschirmgruppe, für die die Bewohner alte DDR-Stoffe sammelten, die für die Bespannung von Sonnenschirmen verwendet wurden. Danach entstanden Taschen, Klammerbeutel und  Lampenschirme und schließlich ein Kleid für die Künstlerin. Für Berlin ist eine eigene Produktlinie entstanden, deren Stücke käuflich erworben werden können. Heute ist die Sonnenschirmgruppe neben dem Kunstkiosk und einer Tourismus AG ein fester Bestandteil des Gemeindelebens. Darüber freut sich die gebürtige Polin Wanda aus Blankensee, deren Konterfei den Eingang zur Nähwerkstatt im Saalbau ziert. Früher sei sie nie nach Pampow zum Tanzen gegangen, erzählt sie bei  Cavengs Heimsuchung, doch durch das Projekt habe sich das geändert. „Durch dat Barbara haben wir uns kennen gelernt. Und wollen wir weitermachen“, sagt sie.

Übrigens können sich auch die Ausstellungsbesucher an den Nähtischen im nachgebauten Zentrum der Sonnenschirmgruppe im Saalbau betätigen und etwas für die Pampseer nähen. So käme mit dem von Neuköllnern gespendeten Stoff ein Stück Neukölln nach Pampsee. Gebraucht wird ein Stuhlkissen für den Besucherstuhl Empfangstisch, der in der Künstlerinnenwohnung steht. Einmal wöchentlich, immer mittwochs von 12-19 Uhr, werden unter professioneller Anleitung Sonnenschirme im BERLIN-Design gestaltet.

Stephanus Parmann

 

HEIMISCH

Eine Ausstellungsplattform zum Projekt „Mi kricht hier keener mehr wech“

Von BARBARA CAVENG und den Bürgern von Blankensee und Pampow

bis 6. April 2014, GALERIE IM SAALBAU Karl-Marx-Straße 141, 12043 Berlin, Di – So: 10- 20 Uhr

Die Dokumentation „Dörfer für Kunst. Kunst fürs Dorf“ des Senders ARTE wird am 2. März 2014 von 10.00-13.30 Uhr im Passage Kino, Karl-Marx-Straße 131, gezeigt.

 

 

 

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