12.11.2016 10:19 von Stephanus Parmann
„Der politische Rechtsruck in Deutschland ist erschreckend“, stellt die neue Initiative „Neuköllner Buchläden gegen Rechtspopulismus und Rassismus“ in ihrem Gründungsaufruf fest. Zwölf Geschäfte – und damit die meisten Neuköllner Buchhändler – unterzeichnen die Stellungnahme. Sie positionieren sich so öffentlich gegen die bedrohliche Zunahme von Rassismus und Ausgrenzung in der deutschen Gesellschaft. Begrüßt wurde die Initative der Neuköllner Buchläden vom Landesverband des Börsenverein des Deutschen Buchhandels Landesverband Berlin-Brandenburg e.V.. der die kommende Veranstaltungsreihe der Neuköllner Initative gleich auf seiner Webseite ankündigte.
Wie ernst die Lage ist, verdeutlicht der Anstieg der politisch rechts motivierten Gewaltdelikte um 44, 3 Prozent im Jahr 2015, der sich „vor allem bei den fremdenfeindlich motivierten Delikten“ zeigt. In diesem Zusammenhang hat sich die Zahl der Angriffe auf Asylunterkünfte im Vergleich zum Vorjahr mehr als verfünffacht. Das ist inakzeptabel und wird von Polizei und Justiz hart verfolgt „betonte Bundesinnenminister Lothar de Maiziere (CDU). Besorgnis lösen diese Fakten aber nicht nur bei den Buchhändlern in Neukölln, sondern auch bei den Kirchen aus. Es sei Auftrag der Kirchen, „gemeinsam einzutreten gegen jegliche Form von Antisemitismus und Rassismus, die unsere Beziehungen vergiften und den Frieden gefährden“, betonten am 21. Oktober des Jahres auch Landesbischof Dr. Heinrich Bedford-Strohm und der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, die gemeinsam auf eine Pilgerreise ins Heilige Land gingen.
Die zunehmende Gewalt von Rechts ist auch in Rudow präsent. Hier brannte in der Nacht vom 14. zum 15. Oktober 2016 das Fahrzeug der Geschäftsführerin des Anton-Schmaus-Hauses der Sozialistischen Jugend Deutschland – Falken Neukölln auf offener Straße. Und in der Nacht zum 27. Juni 2016 hatten Unbekannte in Rudow das Auto von Peter Scharmberg, Bezirksverordneter und stellvertretender Fraktionsvorsitzender der SPD Neukölln in der Bezirksverordnetenversammlung, mit einem Brandsatz angezündet, sodass es völlig ausbrannte. Eine verschärfte Form geistiger Brandstiftung zeigte sich erst vor wenigen Tagen. So wurde die Facebookseite der so genannten „Freien Kräfte Neukölln“ gelöscht, weil diese am 9. November eine Reihe jüdischer Einrichtungen in Berlin unter dem Titel „Juden unter uns“ in Frakturschrift veröffentlichte. Aufgelistet wurden fast 70 Einrichtungen, neben jüdischen Restaurants und Friedhöfen wurden auch Kitas, Schulen, Geschäfte und Synagogen namentlich benannt. Kommentiert wurde das mit den Worten „Heut ist so ein schöner Tag“. Damit verwiesen die Rechtsextremen auf den Gedenktag an die antisemitischen Pogrome im November 1938, so die Mobile Beratung gegen Rechts. Damit wollen Rechtsextreme erneut eine Drohkulisse gegenüber Jüdinnen und Juden erzeugen. Dass diese Formen der Gewalt im Zusammenhang mit dem Erstarken des Rechtspopulismus stehen, steht außer Frage.
Veranstaltungsreihe
Um dieser negativen Entwicklung entgegenzutreten, veranstaltet die Initiative Neuköllner Buchläden gegen Rechtspopulismus und Rassismus“ in den Buchläden abendliche Diskussionen und einen Workshop. Zentral sind dabei die Fragen: Wie erklärt sich der gefährliche Erfolg der Rechtsaußen-Partei „Alternative für Deutschland“ (AfD)? Und was kann die Zivilgesellschaft dem entgegen setzen?
Die Auftaktveranstaltung (18.11.2016) „Von Sarrazin zur AfD – Der Aufstieg des Rechtspopulismus in Deutschland“ findet in der Buchhandlung „Die Buchkönigin“ statt. Inhaberin Nina Wehner (36) ist Mitinitiatorin der Initiative. Sie sagt: „Nach den Wahlsiegen der AfD ist es dringend notwendig sich mit dieser Partei auseinanderzusetzen.“ Noch immer würde die Bedrohung durch die Rechtspopulisten von vielen unterschätzt. Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus, viel Wut und Hass gehören zur Grundausstattung der AfD, sagt Wehner. „Ich fühle mich in meinen demokratischen Grundideen von dieser Partei angegriffen.“ Zur Auftaktveranstaltung stellt Wehner die Initiative mit ihrem Gründungsaufruf vor.
„Die Initiative haben wir gestartet, um uns nicht an diese gefährliche Situation zu gewöhnen“, sagt Friederike Hartwig (35) von der Buchhandlung „Die gute Seite“. Sie meint damit die deutschlandweiten Wahlerfolge der AfD, die den Anstoß zur Gründung von „Neuköllner Buchläden gegen Rechtspopulismus und Rassismus“ gegeben haben. Auch in Neukölln zog die Rechtsaußen-Partei bei den Kommunalwahlen kürzlich mit 14,1 Prozent der Wählerstimmen in das Bezirksparlament ein. „Rassismus wollen wir in unserem Bezirk keinen Raum geben“, sagt Hartwig. Deshalb hofft sie, dass viele Nachbarn und Interessierte sich an den Veranstaltungen beteiligen. „Wir wollen miteinander ins Gespräch kommen, uns vernetzen und sehen, was wir dem Rechtsruck weiter entgegensetzen können“, sagt Hartwig.
„Für mich hat Literatur immer mit Welterkenntnis und Weltverstehen zu tun“, sagt Heinz Ostermann (60) von der Buchhandlung „Leporello“. Für den Austausch über gesellschaftliche Probleme seien Buchläden daher besonders geeignet. Die Verschiebung der politischen Mitte in der deutschen Gesellschaft nach rechts findet Ostermann brandgefährlich. „Rassistische Äußerungen sind in Deutschland wieder salonfähig.“ Deshalb soll die Veranstaltungsreihe den Besuchern auch dabei helfen, im Alltag rassistischen und menschenfeindlichen Äußerungen argumentativ zu begegnen. Denn darum geht es, sagt Ostermann: „Wir wollen einen Impuls setzen, damit mehr Menschen in unserer Gesellschaft für ein humanes Miteinander und gegen Hass einstehen.“
Weitere Veranstaltungen
Freitag, 25. November 2016 um 19:30 Uhr
Die AfD in Neukölln und Berlin – ihr Personal und ihre Wählerschaft
Ort: Die gute Seite, Richardplatz 16, 12055 Berlin-Rixdorf
Freitag, 2. Dezember 2016 um 19:00 Uhr
Was tun gegen die AfD? Aufstehen gegen Rassismus!
Ort: Leporello, Krokusstr. 91, 12357 Berlin-Rudow
Samstag, 10. Dezember 2016 von 11-17 Uhr
Workshop: Stammtischkämpfer*innen-Ausbildung
Ort: Galerie Olga Benario, Richardstraße 104, 12043 Berlin
Weitere Informationen unter:
https://www.facebook.com/neukoellner.buchlaeden.gegen.rassismus
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