Neuköllner Stadtteilmütter gehen auf die Straße

27.10.2014 15:15 von Stephanus Parmann

Trotz aller politischer Befürwortung - Ende Oktober „Schluss“ für 56 Stadtteilmütter in Neukölln!

Foto: Stephanus Parmann

Am 31. Oktober 2014 ziehen Stadtteilmütter und UnterstützerInnen vom Berliner Abgeordnetenhaus zum Bundesarbeitsministerium, um ihrem Frust Ausdruck zu verleihen, dass sie ab November arbeitslos sein werden. An beiden Orten (um 11.00 Uhr vor dem Abgeordnetenhaus, Käthe Niederkirchner-Straße und um 11.45 Uhr vor dem Bundesarbeitsministerium, Wilhelmstraße 49) sollen Protestschreiben übergeben werden. Erst Ende September feierte das Erfolgsprojekt „Stadtteilmütter“ sein 10-jähriges Bestehen.

Geehrt wurden die Frauen in den roten Schals, weil sie erfolgreich Familien zu Fragen der Erziehung, Bildung und Gesundheit aufklären. Insgesamt wurden 360 Frauen verschiedener Herkunftssprachen wie arabisch türkisch, polnisch, kurdisch und rumänisch zu Stadtteilmüttern in Kursen geschult und besuchten rund 8000 Familien in Neukölln, um vor allen auch die Entwicklungschancen der Kinder zu fördern. 

Mit dem Auslaufen des Programms „Bürgerarbeit“ des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, durch welches die Stadtteilmütter zu einem großen Teil finanziert werden konnten, fallen Ende Oktober im Bezirk Neukölln 56 von 110 Stadtteilmüttern weg. Die Finanzierung aus weiteren Bundesprogrammen, wie beispielsweise der FAV (Förderung von Arbeitsverhältnissen nach § 16e SGB II), beziehungsweise aus Landesprogrammen wie dem Landesrahmenprogramm Integrationslotsinnen und Integrationslotsen oder den Mitteln aus dem Programm Soziale Stadt, reichen nicht aus, die Stellen für die Stadtteilmütter zu halten. Die Konsequenz ist, dass die bisher regelmäßig unterstützten 65 Neuköllner Einrichtungen darunter Kitas, Grundschulen, Familienzentren, Nachbarschaftsheime sowie Elterncafes, nur noch punktuell durch die wenigen verbleibenden Stadtteilmütter (in FAV) aufgesucht werden können.

Das Instrument FAV stellt eine deutliche Einschränkung zu der früheren „Bürgerarbeit“ dar, da es höhere Hürden für die einzelne Antragstellerin vorsieht. Auch stehen bundesweit erheblich weniger Mittel für dieses Instrument beziehungsweise die Förderung Langzeitarbeitsloser zur Verfügung. In Regionen wie Nord-Neukölln ist die Langzeitarbeitslosigkeit großer Gruppen ein eklatantes Problem, dem mit den gekürzten Ressourcen nicht adäquat begegnet werden kann. Gerade Frauen mit Migrationshintergrund sind von Langzeitarbeitslosigkeit betroffen, beispielsweise aufgrund fehlender Schul- und Berufsabschlüsse oder geringer schriftlicher Deutschkenntnisse. Alix Katharina Rehlinger, Fachbereichsleiterin im Diakoniewerk Simeon gGmbH, dem Träger der Stadtteilmütter in Neukölln, sagt: „Es muss angesichts stagnierender Konjunkturlage weiter über Teilhabechancen am Arbeitsmarkt auch für diejenigen nachgedacht werden, die länger brauchen, in den ersten Arbeitsmarkt zu finden sowie für diejenigen, die aufgrund unterschiedlicher Problemlagen auch perspektivisch nicht auf dem regulären Arbeitsmarkt Fuß fassen werden können.“


Gemeinsam mit den Stadtteilmüttern fordert das Diakoniewerk Simeon deshalb 

die Bundesebene auf, „dafür zu sorgen, dass auch weiterhin ausreichende Mittel der Beschäftigungsförderung für integrationsfördernde und familienorientierte Arbeit wie die der Stadtteilmütter zur Verfügung gestellt werden. Außerdem fordert das Diakoniewerk Simeon auf der Landesebene den Berliner Senat sowie das Abgeordnetenhaus Berlin auf, „die Landesprogramme, wie beispielsweise das Landesrahmenprogramm Integrationslotsinnen und Integrationslotsen auszuweiten, um hierdurch die Arbeit der Stadtteilmütter abzusichern. „Lassen Sie nicht zu, dass wir wieder zuhause rumsitzen müssen!“, sagt Elham Abou Hashem, Stadtteilmutter. Ihr ist nur beizupflichten, denn es wäre eine Bankrotterklärung für die Stadt, wenn sie dieses erfolgreiche und mehrfach ausgezeichnete Projekt nicht ausreichend fördert. 

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