13.04.2015 07:08 von Stephanus Parmann
Annika ist schon aufgeregt, gleich wird die Clayschülerin der Klasse 10.1.2 in den Simulator steigen und einen Aufprall erleben, den sie so schnell nicht mehr vergessen wird. Was so harmlos klingt, hat es in sich, weiß Freddy Wiesner von der Berufsgenossenschaft für Transport- und Verkehrswirtschaft. Wiesner bedient an diesem 11. März des Jahres den Aufprallsimulator und erklärt den Schülern auf dem Hof bei den Neuköllner Guttemplern in der Wildenbruchstraße, welche Kräfte hier am Werk sind, wenn der volle Aufprall mit nur rund 10 km/h eintritt. Bei einem Körpergewicht von 70 Kg beträgt die Aufprallwucht etwa 242 kg. „Mit der Aktion „Fit für die Straße“ kann man eine Menge für sich mitnehmen“, meint Annika, nachdem sie die Heftigkeit des Aufpralls zuspüren bekommt. Aber nicht nur Annika geht heute mit neuen Eindrücken nach Hause, auch ihre Schulfreundinnen Shannen und Vanessa sind beeindruckt von der Aktion, an der sich auch Präventionsbeauftragte der Berliner Polizei Jahr für Jahr beteiligen. „Wir waren bei der Polizei und fanden gut, was Herr Sven Patzak zu den Quizfragen erklärt hat“, sagt Shannen. Unter den 15 Quizfragen sind Fragen enthalten wie „Ab wie viel Promille können Sie den Führerschein verlieren, wenn sie zum Beispiel Schlangenlinien fahren?“ A: Ab 0,3 Promille; B: ab 0,5 Promille oder C: ab1,1 Promille?“ Die Antwort lautet: ab 03, Promille!“ Auf unsere Frage, ob sie schon Alkohol trinken, antworten alle Mädchen unisono und sehr glaubwürdig mit Nein. Sie sind dankbar für das, was sie hier theoretisch und praktisch bei den Guttemplern erfahren. Das freut nicht nur ihre Ethiklehrerin Sabine Habig, sondern auch den Rudower Klaus Peter Doettloff. Schließlich ist er als Guttempler der Initiator der Aktionstage „Fit für die Straße - No drinks – no drugs – no problems“, die im Rahmen der Alkohol-Präventionskampagne „Na klar!“ zum 8. Mal stattfanden. Die Guttempler sind eine internationale Gemeinschaft, der es darum geht, ein Leben ohne Alkohol und andere Rauschmittel zu führen. Schon seit 1995 ist Doettloff im Guttempler Orden Berlin-Brandenburg organisiert und hat es sich zur Aufgabe gemacht, junge Menschen im Alter von 14 bis 18 Jahren über die Gefahren im Umgang mit Alkohol aufzuklären. Dafür holte er bereits im Jahr 2000 das „Hamburger Projekt „Den Suchtkreislauf durchbrechen“ nach Berlin. Schon 2009 hatten er und sein Team sage und schreibe 3000 Jugendliche erreicht.
Bei „Fit für die Straße“ sind es die Vielzahl der Simulatoren wie der Fahrrad-, Auto- und Motorradsimulator, die den Jugendlichen praktisch vermitteln, wo ihre Möglichkeiten und Grenzen liegen. So macht ein Schüler der Hermann-von-Helmholtz-Schule am Motorrad-Simulator sehr schnell die Erfahrung, dass die allergeringste Ablenkung durch Mitschüler am Simulator schon bei geringen Geschwindigkeiten zu einem Unfall führt, weil sich die Situation im Straßenverkehr blitzschnell geändert hat. Während hier die Anpassungsfähigkeit getestet wird, geht es beim Fahrradsimulator um die Reaktionsfähigkeit und den Anhalteweg. Bereits hier kommt der eine oder andere ins Grübeln. Doch spätestens beim Laufen auf Linien mit der Rauschbrille wird klar, warum Alkohol und Drogen keinen Platz im Straßenverkehr haben sollten. Die Rauschbrille testet auch die Schulstadträtin Dr. Franziska Giffey (SPD), die sich am zweiten Tag vor Ort ausgiebig informiert und bei den Neuköllner Schulen werben will für „Fit für die Straße“. Denn in 2015 nahmen sehr wenig Schulen aus Neukölln an der guten Aktion teil. „Ich werde das Thema in den Schulgremien und bei den Schulleitern immer wieder ins Gespräch bringen “, verspricht sie.
Neun Prozent aller Verkehrstoten in Deutschland starben 2012 an den Folgen eines Alkoholunfalls. Alkoholunfälle sind folgenschwerer als andere Straßenverkehrsunfälle. Während auf 1.000 Unfälle im Straßenverkehr im Durchschnitt 12 tödlich Verunglückte kommen, sind es bei den Alkoholunfällen fast doppelt so viel: 22 Getötete bei 1.000 Alkoholunfällen (Statistisches Bundesamt 2013). „Es ist wichtig, dass den jungen Menschen deutlich gemacht wird, welche fatalen Folgen schon geringe Mengen Alkohol am Steuer nicht nur für sie selbst, sondern auch für Unfallopfer und deren Angehörigen haben können. Nicht nur das eigene Leben kann sich nämlich durch Alkoholkonsum im Straßenverkehr von einer Sekunde auf die andere verändern“, betonte Neuköllns Gesundheitsstadtrat Falko Liecke (CDU) am ersten Tag vor Schülern im großen Guttempler-Saal, bevor sie einen Film zum Thema Unfall sehen. Nehmen die Schüler das Thema vor dem Film noch auf die leichte Schulter und machen Spaß, ist nach dem Film plötzlich alles anders. Stille herrscht im Raum, und mit Betroffenheit nehmen die Schüler zur Kenntnis, wie schnell einer im Leben lieb gewordene Freunde verlieren kann, nur wegen einem Moment der Unachtsamkeit.
Stephanus Parmann
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