Rudow liest 2023

11.03.2023 09:00 von Redaktion

Ob Krimi, Familienroman, Humoristisches oder Sachbuch – die elfte Ausgabe von Rudow liest (31. März- 02. April) punktet wieder mit interessanten und vielbeachteten Autorinnen und Autoren aus renommierten Verlagen, die sich bestens auf ihr Genre verstehen, uns unterhalten, zum Nachdenken bringen, zum Lachen oder uns in die Tiefen der menschlichen Seele führen. Und Rudow liest findet auch wieder an für Lesungen ungewöhnlichen Orten statt: So etwa in einer Apotheke, beim Hörakustiker, in einem Reisebüro oder inmitten eines belebten Wochenmarkts. „Viele Veranstalterinnen und Veranstalter haben erneut zusammengewirkt und weder Kosten noch Mühen gescheut, um ein weiteres Mal ein abwechslungsreiches Programm auf die Beine zu stellen“, sagt Heinz Jürgen Ostermann. Er hatte einst die Idee eines Lesefestes in Rudow, das zeitlich noch vor der Leipziger Buchmesse stattfindet. Und er fand Gottseidank Mitstreiter bei der Aktionsgemeinschaft Rudow, deren Mitglieder sich bis heute für Rudow liest engagieren und unter anderem die Hauptlesung mittragen. Schließlich ist auch das eine Besonderheit bei Rudow liest: Jeder findet Zugang zu guter Literatur, denn der Eintritt ist frei. Freuen wir uns also auf inspirierende und spannende Stunden mit den Autorinnen und Autoren von Rudow liest 2023.

 

Bei Rudow liest 2023 ist sicher für jeden oder jeder Lesebegeisterten etwas dabei. Dennoch möchten wir auf einige spannende Lesungen hinweisen. Neben der Hauptlesung mit Julia Schach, deren neues Buch „Das Liebespaar des Jahrhunderts“ wir bereits in der vergangenen Ausgabe von Rudow live vorgestellt hatten, ist das beispielsweise die Lesung von Marie Gamillscheg am Freitag um 20.00 Uhr in der Buchhandlung Leporello in der Krokusstraße 91. Die junge Grazerin hat bereits den Blick der deutschsprachigen Literaturkritiker auf sich gezogen und war für den Deutschen Buchpreis 2022 nominiert. Sie stellt in Rudow ihr Buch „Aufruhr der Meerestiere“ vor. In dem Buch geht es um die Meeresbiologin Luise. Ihr Spezialgebiet: Die Meerwalnuss, Das ist eine leuchtende 100-110mm große Qualle, die, wenn sie vom Ballastwasser von Frachtschiffen in nichtheimische Gewässer eingeschleppt wird, sich ohne natürliche Feinde massenhaft vermehrt und einen ökologischen Kollaps auslösen kann. Im Gegensatz zu ihrem Forschungssubjekt, der winzigen Meerwalnuss, die vereint in der Masse, ganze Ökosystem zum kippen bringen kann, fühlt sich Luise in ihrem Körper nicht zuhause. Sie leidet unter Beziehungsunfähigkeit und Essstörungen. Luise ist klug, Luise ist unabhängig, Luise ist eine Insel. Und Luise ist unendlich fasziniert von dem schleimigen und dem „gefährlichsten Raubtier der Welt“, das um zu überleben, selbst seine Nachkommen verspeist. Doch Luise selbst, lässt keinen liebenden Mann zu, der, wie die Autorin in einem Interview mit dem SWR sagt, „der Meerwalnuss Konkurrenz macht“. Kunstvoll verwebt Gamillscheg mit der Geschichte familiäre und ozeanische Untiefen. 

Auch der Samstag bietet neben der Hauptleitung einige Leckerbissen. So etwa im Tui Reisecenter in Alt-Rudow 25 um 14.30 für Krimifreunde und ganz speziell für die große Fangemeinde des Kommissars Toni Sanftleben. Kreiert hat die Figur Tim Pieper, der bereits 2020 bei Rudow liest mit „Die stille Havel“ teilnahm. Diesmal geht es um einen Spionagefall nach wahren Begebenheiten um die „verbotene Stadt“ des sowjetischen Geheimdienstes in Potsdam, die sowjetische Geheimdienststadt „Militärstädtchen Nr. 7“. In einem alten Bootshaus an der Havel werden drei jahrzehntealte Skelette gefunden. Kurz darauf wird eine Journalistin ermordet. Sie recherchierte in einem Spionagefall aus dem Jahr 1949 um eine junge Frau, deren Identität bis heute unbekannt ist. Als Hauptkommissar Toni Sanftleben klar wird, dass er selbst familiär in den Fall verstrickt ist, ist es schon fast zu spät. Freunde von Kommissar Toni Sanftleben erwartet also ein weiteres spannendes Lesevergnügen. Wer im Vorfeld Lust hat, sich in die Welt des russischen Geheimdienstes im damaligen Potsdam hineinzudenken, kann die Gedenk- und Begegnungsstätte Leistikowstraße Potsdam besuchen und bucht die Führung: „Die sowjetische Geheimdienststadt 'Militärstädtchen Nr. 7“, 11. März 2023 – 13.30 bis 14.30 Uhr. Online-Tickets gibt es auf der Webseite  https://www.leistikowstrasse-sbg.de

 Mit dem Fall der Mauer und der „Wende“, standen sehr viele Familien im Osten Deutschlands vor gravierenden sozioökonomischen Problemen - statt „blühender Landschaften“ zerbrach ihre Welt und sie mussten zu neuen Ufern aufbrechen. Manche erreichten das Ufer, andere nicht. Tina Pruschmann weist mit ihrem Familien- und Gesellschaftsroman „Bittere Wasser“ auf dieses Stück Zeitgeschichte hin, und dies ohne dabei das DDR System schönzureden – spannend. Sie liest um 15.30 Uhr in der Evangelischen Kirchengemeinde Rudow 

Jan Böttcher ist vielfach gewürdigt. Er erhielt unter anderem den 2007 Ernst-Willner-Preis beim Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb in Klagenfurt für seinen Roman „Nachglühen“. In seinem Roman „Das Rosenexperiment“ geht es unter anderem um zwei starke Frauen, die hochbegabte Zenia, Psychologie-Doktorandin an der Universität zu Berlin und die Kellnerin Helene. Gemeinsam werden sie 1928 mit Professor Zadek von der im Berliner Stadtschloss beheimateten Psychologischen Fakultät an dem Rosen-Experiment arbeiten, das Affekte wie Wut und Ärger untersucht und damit das Fachgebiet revolutioniert. In dem Experiment sollen die Versuchspersonen eine entfernt stehende Blume auf drei Arten greifen. Was sie nicht wissen, es gibt nur zwei Möglichkeiten, auch wenn die Versuchsleiterin Zenia behauptet, es gäbe drei. Die Folge: Mehr und mehr zieht Zenia selbst, als Jüdin, den Zorn auf sich, wird antisemitisch beschimpft und zunehmend ausgegrenzt. Als Professor Zadek Zenia unvermittelt küsst, weiß sie nicht, wohin mit der Liebe in einer Zeit, wo sie selbst ausgegrenzt wird. Bleibt auch dies, ähnlich wie in dem Rosen-Experiment, unerledigt? Jan Böttcher liest am 01. April um 16.30 Uhr in der Alte Kloster-Apotheke in Alt-Rudow 70. 

 

Neben so viel ernsten Geschichten hat Rudow liest aber auch Humorvolles zu bieten. So etwa mit der Samstag-Lesung von Volker Surmann auf dem Rudower Wochenmarkt um 11.00 Uhr. Er bringt die Zuhörer unter anderem mit einem Cranberry-Koks-Aufguss zum Schwitzen. Mit seinem Buch „Kein Schweiß aufs Buch“ erleben wir, auf welche unüberbrückbaren und kulturell bedingten Probleme ein Finne stoßen wird, wenn er eine deutsche Sauna betreten wird. Also tauchen wir ein in den Mikrokosmos der deutschen Sauna. 

 

Eher Lust auf Humorvolles, made in Berlin? Torsten Harmsen aus Köpenick, Kolumnist bei der Berliner Zeitung, blickt mit seinem Buch „Berlin brummt. Geschichten aus dem Hauptstadt-Kaff“ als Ur-Berliner auf die Hauptstädter und sammelt Skurriles, das er in humorvolle Geschichten verpackt. Beispiel: „Ein Tourist kommt in einen Bäckerladen und fragt: „Kann man bei Ihnen auch Kaffee trinken“. Die Bäckersfrau antwortet: „Ja, wenn wa hier Wasser einlassen, könn se hier ooch schwimmen“. Was sagt uns das? Berliner führen gerne Dinge ins Absurde, um sie klarzustellen. Oder sie spielen gerne mit Gegensätzen, mit dem Antithetischen, um ihre Gesprächspartner zum nachdenken anzuregen. Dann heißt es nicht mehr „Morgenstund hat Gold im Mund“, sondern: „Wer nich arbeitet, soll wenichstenz jut essen“. Und Berliner lieben es, sich das Alltagsleben mit Ironie zu versüßen. So wie der Maler Heinrich Zille. Er „soll sich mal im Schloss Sanssouci auf einen Barocksessel gesetzt haben, um ein paar Skizzen zu zeichnen. Der Museumswächter: „Sie sitzen auf dem Sessel von Friedrich dem Großen!“ Daraufhin soll Zille ihn beruhigt haben: Wenn Majestät kommt, mach ick die Flieje.“ Harmsen fördert Skurriles aus der Vergangenheit zu Tage, blickt aber auch humorvoll mit der nötigen Distanz auf seine Zeitgenossen, auf überforderte Paketboten, nervige Meckeronkels und Corona-Frisuren. Und er geht der Frage nach: Warum brummt Berlin eigentlich? In seinen Betrachtungen wird nichts Menschliches ausgelassen – ein Berlin-Buch, das nach allen Aufregungen der jüngsten Vergangenheit einfach nur gut tut. Diese und andere Berliner Eigenheiten bringt uns auf humoristische Weise Torsten Harmsen nahe. Er liest um 16.00 Uhr in der Pfarrei St. Joseph in Alt-Rudow 46.

 

Einen selbstkritischen Blick auf die Polizei wagt Oliver von Dobrowolski mit seinem Buch „Ich kämpfe für eine bessere Polizei“, erschienen im Fischer Verlag. Der Kriminalhauptkommissar ist seit 23 Jahren im Dienste der Berliner Polizei. Dobrowolski legt ein leidenschaftliches Plädoyer für eine bessere Polizei vor. Er beschreibt ganz konkret, was sich ändern muss, denn er möchte eine Polizei, der alle vertrauen können - unabhängig von ihrer Herkunft, ihrem Geschlecht oder ihrer Religion. Kritische Blicke auf die Polizei aus den eigenen Reihen sind selten und mutig und gerade in einer demokratischen Gesellschaft notwendig. Schon dann, wenn etwa immer mehr nach außen dringt, wie viele rechtsradikal gefärbte Chatgruppen sich in Polizeikreisen tummeln – derzeit wird gegen 62 Berliner Polizisten ermittelt, die rechtsradikales Gedankengut teilten. Und in Sachsen sollen aktuell 18 Polizisten aus dem Dienst entfernt werden, weil sie als Polizeischüler in einem Chat unter anderm antisemitisches Gedankengut teilten. Leute wie Dobrowolski jedenfalls tun der Polizei gut, denn auch hier treffen wir wie anderswo auf einen Querschnitt der Gesellschaft. Er liest am 02. April um 16.30 Uhr in der Buchhandlung Leporello, gesponsert hat die Lesung der Rudower Panorama Verlag.

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