Rudow liest lockte Hunderte Lesebegeisterte an

25.03.2014 14:46 von Stephanus Parmann

Bokowski begeisterte die Zuhörer in der Fahrschule Rudow

Mit rund 400 lesebegeisterten Besuchern war Rudow liest, das in diesem Jahr zum dritten Mal vom 08. auf den 09. März stattgefunden hat, ein großer Erfolg. Einzig die Kinderlesungen waren nicht so gut besucht. An den hervorragenden Autorinnen kann das sicher nicht gelegen haben. Einen Einfluss dürfte jedoch der 1. herrliche Frühlingstag gewesen, der die Kinder ins Freie zog. Eines der Highlights war sicherlich die Lesung aus „Hauptsache nichts mit Menschen“ des Berliner Lesebühnenautors Paul Bokowski in der Fahrschule Rudow. Hier flossen reichlich Tränen, aber nicht, weil die Geschichten so traurig waren, sondern weil es Bokowski einfach versteht, das Tragikkomische des Alltags auf Papier zu bringen. Er las auch bislang unbekannte Stücke, die alle Besucher so begeisterten, dass Bokowski Zugaben drauf legen musste. Anschließend signierte er reichlich Bücher. Nicht nur bei dieser Lesung war kein Platz mehr frei.

Bis auf den letzten Platz ausgebucht waren auch die Lesungen im TUI Reisecenter in Alt-Rudow 25 und in der Boutique Open Air. In beiden Lesungen ging es um das Thema Heimat, nur aus verschiedenen Perspektiven erzählt. Während Birgit Weidt mit der Lesung Fragen zu ihrer zweiten Heimat La Réunion, einer Insel im Indischen Ozean, beantwortete, vermittelte die vielreisende Lisa Weiss mit ihrem Buch „My Berlin Kitchen“ vor begeistertem Publikum, wie sie das Heimweh mit ihren Lieblingsgerichten lindert.

Rudow liegt im Einzugsgebiet des neuen Flughafens und wird auch verkehrstechnisch einige Lasten zu tragen haben, wenn Flugreisende mit der U-7 in Richtung Flughafen fahren. Zudem soll im Zuge der Flughafeneröffnung der 171er Bus ohne ersichtlichen Grund aus Alt-Rudow herausgenommen und auf die Neuköllner Straße verlegt werden. Von daher war auch die 1. Lesung mit dem Flughafenxperten Rainer W. During sehr gut besucht. During lieferte aufschlussreiche  Informationen über die Fehlplanungen des BER lieferte, die weitaus früher begannen, als sich manch Zuhörer vorstellte.

Der neu geplante Fughafen trägt den Namen eines Mannes, der im vergangen Jahr 100 Jahre alt geworden wäre: Willy Brandt. Über die Familie Willy Brandt schrieb Torsten Körner. Er kam auf Einladung der Neuköllner SPD-Fraktion, las im vollbesetzten Café am Markt und räumte auf mit einigen Vorurteilen gegenüber der Person Willy Brandt. Deutlich wurde, wie sensible und zugleich gescheit der Autor an die Biografiearbeit ging.

Nur einen Straßenzug weiter las Ernst Georg Richter aus seinem Kriminalroman „Das Kongo – Komplott“. Die Lesung hätte doppelt so viele Zuhörer vertragen und verdient, da der Kaiserreich-Berlin-Krimi wirklich so hoch spannend ist, wie es die Leser im Internet berichten. Zum Trost für seine auch stimmlich hervorragende Lesung und als Dank wurde ihm eine gute Flasche Rotwein von der Ganz Ohr-Inhaberin Alexandra Pusch überreicht. Ein Blick auf die parallel stattfindende Lesung in der Buchhandlung LEPORELLO zeigte, dass das neue Buch des Anna Seghers Preisträgers Andreas Schäfer mit dem Titel „Gesichter“ ebenso für ein volles Haus sorgte. Laut Buchhändler Heinz Jürgen Ostermann verlief auch diese Lesung hoch interessant.

Zum Schluss gab es am ersten Tag noch ein Konzert mit Gina und Frauke Pietsch in der Alten Dorfschule Rudow, das nahezu ausverkauft war. Außerdem las Maike Winnemuth vor 70 Zuhörern aus ihrem  Bestseller „Das große Los. Wie ich bei Günther Jauch eine halbe Million gewann und einfach losfuhr“ und beantwortete jede Menge Fragen zum Thema Glück. So erfuhren die Besucher jede Menge interessante Details von Winnemuths Reise in 12 verschiedene Städte der Welt. So, beispielsweise, dass Winnemuth stets hochinteressante Menschen traf, kaum alleine war in der Fremde und sich als Frau sicher bewegen konnte. Spannend war auch, dass sie mit relativ wenig Geld auskam. Neu war, dass sie ihren Blog zur Reise einstellt und sich fortan auf ein neues Abenteuer einlässt. Doch diesmal will sie in Deutschland bleiben und über Deutschland schreiben. Welche Form sie dafür wählen wird, ob Roman oder eher dokumentarisches Sachbuch, steht noch in den Sternen.

Nach den Lesungen trafen wir noch Mutter und Tochter Pietsch beim Italiener – sie waren bestens gelaunt und hochzufrieden mit dem Konzert in Rudow und feierten mit Freunden. Als wir uns gegen Mitternacht auf den Nachhauseweg machten, brannte auch in der Alten Dorfschule noch Licht – auch hier ließen es sich die Konzert- und Rudow liest-Besucher nach dem Pietsch-Konzert noch eine Weile gut gehen.

Am Folgetag mussten auch die letzten Klappstühle herausgeholt werden, weil der Andrang zur Lesung von Hans Karl Schmidt Jung und Alt anlockte. Der immer noch aktive Radiomoderator bot den Besuchern mit seinen „Berliner Geschichten, Zwischen Bomben und Bienenstich“ einen Einblick in eine Kindheit und Jugend unter der Nazi-Diktatur und dem Krieg. Allein dem Berliner Charme und Witz des Autors sowie der Fähigkeit des Radiomoderators Hans Karl-Schmidt alias „Atze ist es zu verdanken, dass die Geschichten nicht zuviel Trauer auslösten. So wurde die Lesung eine überaus vergnügliche, aber auch nachdenkliche Reise in die deutsche Vergangenheit.

Stephanus Parmann

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