„Rudow liest"- der 2. Tag

05.03.2016 07:25 von Stephanus Parmann

Paul Bokowski in der Fahrschule am U-Bahnhof Rudow

Nachdem gestern "Rudow liest" in der Rudower Stadtteilbibliothek mit Anke Stellings Lesung aus ihrem Buch Bodentiefe Fenster vor vollem Haus einen super Start hingelegt hatte, geht es bei „Rudow liest“ heute um 14.00 Uhr in der Fahrschule am U-Bahnhof Rudow weiter mit insgesamt sechs Lesungen und einer Kinderveranstaltung. Das Ganze startet mit einer vergnüglichen Lesung mit Paul Bokowski.

Er wird die Gäste in der Fahrschule am U-Bahnhof Rudow endgültig aus ihrem biorhythmischen Leistungstief herausholen. Das tut er wie bereits vor zwei Jahren mit hinreißend bissigen Geschichten aus dem Leben eines polnischen Einwandererkinds. Über die abenteuerliche Reise einer wandernden Waschmaschine, unmoralische Angebote potentieller Nachmieter, passiv-aggressive Brettspiele mit der eigenen Mischpoke und die tiefgründige Bedeutung von vollveganem Fleischsalat weiß er diesmal zu berichten. Wer zu Bokowski geht, sollte unbedingt Taschentücher mitnehmen, der Mann ist so urkomisch, dass man Tränen lacht. Das war 2014 so, als er aus „Hauptsache nichts mit Menschen“ las. Auch diesmal wird dies garantiert der Fall sein. Sein Rezept: Bokowsky bringt den Wahnsinn, den wir alltäglich erleben, auf den Punkt und lehrt uns dabei, das Lachen nicht zu verlernen. Was für ein Glück!

„Die erstaunliche Wirkung von Glück“ heißt der Roman, aus dem die Kreuzberger Autorin Susann Rehlein um 14.30 Uhr in der Boutique OPEN-AIR liest. Susann Rehleins Roman hat, wie ein Blick ins Internet und auf You Tube zeigt, viele Freunde gewonnen. Insbesondere sind es jene, die noch an die Kraft von Märchen glauben. Denn die Geschichte um die junge und eher verschlossene Dorle, die im Souterrain eines herrschaftlichen Hauses wohnt, ist ein bezauberndes Aschenputtelmärchen für alle Amelie-Freunde. Mit viel Liebe zur Gestaltung aller Figuren im Roman zeichnet die Autorin das Bild einer jungen und selbstgenügsamen Frau, die einen neuen Aspekt vom Leben erfährt, weil sie den Wunsch ihrer älteren und lebensfrohen Nachbarin Frau Sonne erfüllt, deren Wohnung für drei Monate während ihrer Reise zu hüten. Schnell wird klar, dass es sich bei der Wohnung von Frau Sonne nicht um eine gewöhnliche Wohnung handelt. Sie hat angeblich eine Aura, es lebt ein Kater darin, der Dinge kann, die normale Kater nicht können, und per Fax treffen Aufgaben für Dorle ein, die sie an den Rand des Wahnsinns bringen. Sie muss zum Sport, zu jemandem unfreundlich sein und kochen. Sogar Dates hat sie plötzlich. Gut, die Männer sind alle über 80, aber sie verstehen etwas von der Liebe. So hat Joe, Dorles einziger Freund, alle Hände voll zu tun, um im Rennen zu bleiben. 
„Die erstaunliche Wirkung von Glück“ ist ein Roman, der dazu auffordert Neues auszuprobieren, sich von den Verletzungen in der Vergangenheit zu lösen und Stück für Stück Fähigkeiten zu entdecken, die Freude machen - nicht nur sich selbst, sondern auch jemand anderem. Ich kann das Buch jedem zum Lesen empfehlen“, schreibt eine Leserin Namens Ingrid im Internet.

 

Auch Jan Kowalsky ist ähnlich wie die Romanfigur Dorle eher ein häuslicher Typ. Wäre da nicht seine Frau, die ihn mit ihrer Abenteuerlust aus der Reserve lockt. Weil er sie schließlich liebt, kommt es, wie es kommen muss. Als „Schisser um die Welt“ reist Jan Kowalsky in seiner autobiografischen Erzählung, aus der er sinnigerweise im TUI-Reisecenter in Alt-Rudow 25 liest, Beginn 15.30 Uhr. Dann werden die Zuhörer inmitten von Reisekatalogen Zeuge, wie Jan Kowalsky menschenfressende Riesenechsen, Wildwasserrafting mit Zahnverlust und Safari im Schweinsgalopp erlebt. Bitter mitleiden werden sie, wenn er  über  Malaria und Knochenbrecherfieber oder eine Seuche mit dem Namen Japanische Enzephalitis sinniert, die ihn als Schisser besonders nervös macht. Es handelt sich dabei um eine unheilbare Nervenkrankheit mit schlechter Prognose, die erst zu neurologischen Ausfällen und dann zum Tod führen kann. „Dass die Krankheit nur in ländlichen Gebieten mit Schweinezucht und Reisanbau und zudem nur zur Regenzeit auftritt (wir hatten weder geplant, aufs Land zu reisen noch zur Regenzeit unterwegs zu sein), überlas ich geflissentlich. Auch das Infektionsrisiko von 1.000.000:1 ignorierte ich, schließlich war ich mir sicher, wen es erwischen würde: mich“, erzählt er. Ja, was riskiert Mann nicht alles aus Liebe zu einer Frau!

 

Auf eine Reise mit nimmt uns auch die Autorin Karin Kalisa um 16.00 Uhr in der Alten Dorfschule. In ihrem im Beck Verlag erschienenen Buch „Sungs Laden“ erzählt sie ein wunderschönes Märchen für Erwachsene. In ihm verwandelt sich der Prenzlauer Berg innerhalb eines Jahres in ein Stück Vietnam, weil das Szeneviertel seinen asiatischen Anteil erkennt und damit seine anarchisch-kreative Seele neubelebt: Brücken aus Bambus spannen sich zwischen den Häusern, Parkraumwächter tragen Kegelhüte, auf Brachflächen grünt exotisches Gemüse und ein Zahnarzt macht Sonntagsdienst für Patienten aus Fernost. Nachdem auf dem Dach des Bezirksamts kurzzeitig auch noch die Ho-Chi-Minh-Flagge weht, münden die Aktionen in ein Fest … Als Wissenschaftlerin und freie Autorin forscht Karin Kalisa in den Feldern asiatischer Sprachen, philosophischer Denkfiguren und ethnologischer Beschreibungen. Mit „Sungs Laden“ hält sie ein Plädoyer für Offenheit und die Chancen der Menschen in einer mulitkulturellen Gesellschaft.   

 

Ganz Ohr sein werden die Besucher von „Rudow liest“ auch, wenn Diane Arapovic aus ihrem im Rowohlt Verlag erschienenen Berlin-Buch „Honeckers Guckloch und das verschwundene Stück Kudamm“ liest. Die Hörgeräteakustiker von GanzOhr in der Krokusstraße 95 luden über die Jahre hinweg stets Autor*innen wie Diane Arapovic  ein, die hochinteressante und außergewöhnliche Dinge über Berlin zu berichten wussten. Diesmal kommen die Besucher wieder in den Genuss, Einblick zu nehmen in Rätsel und Legenden der Hauptstadt. Arapovic geht geheimnisvollen Dingen auf den Grund: So fragt sie sich zum Beispiel, warum ein Stück vom Kudamm fehlt und ob es stimmt, dass Honecker sein Volk durch ein Guckloch in einem Plattenbau am Alexanderplatz beobachtete? Und sie stellt sich die Frage, ob tatsächlich roter Marmor aus Hitlers Reichskanzlei in einem U-Bahnhofverbaut wurde. Wer also wissen will, warum die Spree im Sommer rückwärts fließt, kommt um 17.30 in die Krokusstraße 95. Übrigens: Streng geheim: Diane Arapovic wurde 2012 für ihre beliebte auf radioeins laufende Kolumne „Großstadtgeheimnisse und Landlegenden“ mit dem Kurt-Magnus-Preis ausgezeichnet.

Mehrfach preisgekrönt wurde auch Thomas Brussig. Er liest um 20.00 Uhr im Gemeindezentrum der Evangelischen Dorfkirche aus seinem Buch „Das gibt’s in keinem Russenfilm, erschienen im Fischer Verlag“. (Besprechung siehe

http://www.hier-in-rudow.de/rudow-aktuell/thomas-brussig-kommt-nach-rudow.html)

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