„Rudow liest“ feierte erfolgreiches Jubiläum

21.03.2016 00:14 von Stephanus Parmann

Foot hier und Fotos Galerie: © Stephanus Parmann

Im fünften Jahr hat sich das Lesefest „Rudow liest“ als feste Größe im Kulturkalender im Berliner Süden etabliert. Kulturstadtrat Jan-Christopher Rämer begrüßte herzlich die vielen Zuhörer*innen, die am 4. März zur Auftaktlesung in die Stadtbibliothek am Bildhauerweg kamen. „Ich freue mich sehr, dass ich das Lesefestival, welches in diesem Jahr seinen 5. Geburtstag feiert, zum ersten Mal eröffnen darf“, betonte Rämer und hob hervor, dass dieses noch junge Pflänzchen einer Rudower Lesekulturwoche, initiiert von der Aktionsgemeinschaft Rudower Geschäftsleute, weiterhin die Unterstützung durch das Bezirksamt erhält. In diesem Sinne erinnerte Rämer an den Bau der neuen Stadtteilbibliothek, die zugleich ein Ort der Begegnung im Rudower Ortsteilzentrum sein wird. Er zumindest freue sich besonders auf die erste Eröffnung von „Rudow liest“ am neuen Standort in Alt-Rudow 45. Unter den Gästen bei der Eröffnung war mit Detlef Blisse und Marcel Fernandez auch der Vorstand der Aktionsgemeinschaft Rudow (AG Rudow) vertreten. Zu ihr zählt auch Heinz-Jürgen Ostermann von der Buchhandlung Leporello, der das Lesefest initiiert hatte und Jahr für Jahr den einzelnen Teilnehmern jeweils eine Reihe von Autoren vorschlägt.  Wie ein Blick auf die Liste der Verlage zeigt, hat Ostermann längst keine Mühen mehr, preisgekrönte Autorinnen und Autoren renommierter Verlage für das Lesefest im Vorfeld der Leipziger Buchmesse zu gewinnen. Zu diesen zählt auch Anke Stellung. Sie freute sich, nach Rudow zu kommen und las, eingebettet zwischen Büchern, aus ihrem Roman „Bodentiefe Fenster“. Anschließend wurde darüber diskutiert, ob das Problem der Unsicherheit in der Kindererziehung nicht etwa ein Problem der 68er Generation war, das heute nicht mehr relevant erscheint. Eine These, die Stelling mit ihrem Buch und ihrer Erfahrung als Mutter von Kindern, die im Prenzlauer Berg-Milieu lebt, verneinte. Bodentiefe Fenster erlauben einen unverstellten Blick nach außen, aber auch nach innen. Einen Blick, der in einer Konkurrenzgesellschaft Kontrolle bedeutet und einen zusätzlichen Druck auf die erziehenden Mütter ausübt, die ohnehin alles richtig machen wollen und sich darum bemühen, stets das Beste für ihre Kinder zu erreichen – wahrhaft eine Bürde in einer individualisierten Gesellschaft, in der der Einzelne vor dem Hintergrund der Vielzahl der „Experten“ in der Wissensgesellschaft immer mehr Entscheidungen treffen muss.Ja, „Alleine ist man weniger zusammen“. So zumindest lautet der Titel des neuen Buches des im Wedding siedelnden Lesebühnenautors Paul Bokowski. Er versteht es, Alltagssituationen humorvoll zuzuspitzen  und erweitert damit unser Bewusstsein für unsere Mitmenschen.  Die Geschichte „Urban Balconing“  ist nun ein Beispiel dafür,  wie  in kurzer Zeit aus Ordnung in Weddings Brüsseler Straße Chaos entsteht. Sie lehrt uns, was passieren kann, wenn Menschen das praktizieren, was die alten Griechen Mimesis, sprich Nachahmung nannten, eine Fähigkeit, ohne die der Mensch nicht das Geringste lernen würde, so der Philosoph Aristoteles. Bei Bokowski jedenfalls erwächst aus dem harmlosen Akt der Pflanzung einer Hortensie Hildegardis in einer „Dose Preiswert & gut Dosenravioli“ auf einem halbschattigen Nordwestbalkon in der Brüsseler Straße“ durch kreative Nachahmung nach und nach ein Unglück, aus dem es sich wahrlich lernen lässt. Nach dem Motto: Seit fünf Uhr morgens wird zurückgepflanzt, zieht der Schichtarbeiter und Naturliebhaber Karl-Heinz W. als Antwort auf die Hortensie „vierzehn Bahnen ökologisch angebauten Rollrasen zu je 24,99 € auf die steinerne Brüstung seines herrschaftlichen Altbaubalkons. Währenddessen strahlt der gut zwei Quadratmeter große Blautannenforst im dritten Stock der Brüsseler Straße 17, wo der grobschlächtige Gerüstbauer Dirk S. wohnt. Von soviel Natur umgeben, erfüllt sich nun auch die Fleischfachverkäuferin Roswitha H. einen lange gehegten Traum. Sie befüllt ihren Balkon mit zweitausend Litern Balkonerde der Marke Herzbacher Gartenglück. „Mehr Nähe zur Natur und eine eigenes Spargelfeld sind zwei lang gehegte Träume der gebürtigen Berlinerin“. Nun kann jeder ahnen, der sich nur annähernd mit der Statik von Häusern und Balkonen vertraut gemacht hat, was geschehen wird. Die Zuhörer bei „Rudow liest“ jedenfalls konnten gerade noch rechtzeitig durch eine kurze Pause vor dem nächsten Text Bokowskis vor dem Ausbruch schlimmster Lachkrämpfe bewahrt werden. So blieb der Erste-Hilfe-Kasten unberührt.

„Rudow liest“ bot auch diesmal wieder durchweg großartige Lesungen mit viel Humor, außergewöhnlicher Berlin-Geschichten, spannender Reiseliteratur und Gesellschaftskritik. Dass auch Gesellschaftskritisches humorvoll und spannend verpackt werden kann, bewiesen neben Anke Stelling auch Karin Kalisa, Hans Rath und natürlich Thomas Brussig. Er las vor rund 200 Zuhörern in der Evangelischen Kirchengemeinde Rudow aus seinem neuen Buch „Das gibt’s in keinem Russenfilm“ und signierte anschließend jede Menge Bücher begeisterter Fans. Und so gebührt allen, die an „Rudow liest“ mitgewirkt haben, ein großes Dankeschön.Das gilt besonders für die Autor*innen Anke Stelling, Rainer Wittkamp, Paul Bokowski, Susann Rehlein, Jan Kowalsky, Karin Kalisa, Diane Arapovic, Thomas Brussig, Kerstin Decker, Hans Rath und Charlotte Hofmann. Für „Rudow liest“ engagiert haben sich das Bezirksamt Neukölln, die Buchhandlung Leporello, die Fahrschule am U-Bahnhof Rudow, die Boutique Open-Air, das TUI-Reisecenter in Alt-Rudow 25, der Verein Alte Dorfschule Rudow, die Katholische Kirchengemeinde St. Joseph, die Evangelische Kirchengemeinde Rudow sowie die Aktionsgemeinschaft Rudow.

Stephanus Parmann

 

 

   

 

 

 

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