Thomas Brussig kommt nach Rudow

10.02.2016 01:03 von Stephanus Parmann

Der Kult-Autor liest im Rahmen von „Rudow liest“ (4. bis 6. März 2016)

Eigentlich kennt (fast) jeder Thomas Brussig – dank seiner Erzählung „Am kürzeren Ende der Sonnenallee“, welche von Leander Haußmann verfilmt wurde. Es wurde der erfolgreichste deutsche Film des Jahres 1999. Die DDR ist das zentrale Thema im literarischen Schaffen des Autors, der 1964 in Ost-Berlin geboren wurde. Mit seinem ebenfalls verfilmten, 1995 erschienenen Roman „Helden wie wir“, in welchem Brussig parodistisch den Fall der Berliner Mauer dem Treiben eines kleinbürgerlichen Versagers zuschreibt, erzielte Brussig seinen Durchbruch als Autor, dessen Bücher mittlerweile in 32 Sprachen übersetzt wurden.

1991 erschien sein Erstling „Wasserfarben“ beim Ost-Berliner Aufbau-Verlag; angeblich erhielt er den Vorzug vor Christa Wolf, deren Roman der Zensur zum Opfer gefallen war. Das jedenfalls schreibt Brussig in seinem neuen Buch „Das gibt’s in keinem Russenfilm“, welches er in Rudow vorstellen wird. Der Buchtitel gibt einen Spruch wieder, der in der DDR kopfschüttelnd zum Einsatz kam, wenn etwas besonders verpeilt und absurd war. Und das trifft auch den Inhalt des Buches, das ein Mix aus Autobiografie und Satire präsentiert, angereicht mit der Fiktion, das die Mauer nicht fällt und die DDR weiter lebt. Das Meiste in diesem Buch stimmt nicht. Alles hätte anders kommen können für den Protagonisten, einem DDR-Autor, dessen Lebensgeschichte erzählt wird.  Als Einjähriger wird dieser dank eines Rezepts über drei Bananen pro Woche aufgepäppelt.  Später gar macht er eine Karriere als Baufacharbeiter mit Abitur und glänzt als Hotelportier.

In den Ruf eines Dissidenten kam Brussig, als er beim öffentlichen Romansignieren seiner Erstveröffentlichung auf dem Alexanderplatz den Berliner SED-Chef Günter Schabowski nicht erkannte, der schließlich ein Autogramm von Brussig wollte.

Bei den Wahlen 1991 in der BRD wird der Logik des Romans folgend Oskar Lafontaine (SPD) Bundeskanzler – Kohl konnte ja von keiner Deutschen Einheit profitieren – und wird später von  Wolfgang Schäuble (CDU) abgelöst. In der DDR beerbt schließlich Egon Krenz den friedlich entschlafenen Honecker, bevor später Gregor Gysi das Zepter übernimmt. Brussig nimmt die Leser mit au eine wahnwitzige Zeitreise, in der manche Biografie neu geschrieben wird: Ob es nun die von Wolfgang Thierse, Petra Pau, Jan-Josef Liefers oder Hans Meyer ist. Auch Angela Merkel findet ihre Rolle, sie ist Brussig-Verehrerin und Apfelkuchenbäckerin. Die DDR überlebt unter der Führung der Partei und entwickelt einen Kapitalismus ohne Freiheit. Um die Jahrtausendwende können die DDR-Bürger fortan im Westen arbeiten und behalten ihren Wohnsitz dank des günstigeren Steuersatzes im Osten. Es ist die Erzeugung von Windkraft in großem Stil, die das wirtschaftliche Rückgrat der DDR bildet und diese in die Lage versetzt, auch das Ausland zu beliefern. Spitezneleistungen bringt die DDR in der Elektromobilität, hier ist sie dank der so genannten Teslabox sogar führend. Nur für den Roman-Brussig scheint noch die mangelnde Freiheit in der „Elektrokratie“ der DDR ein Thema zu sein.

„Das gibt’s in keinem Russenfilm“ ist aber auch ein persönlicher Roman, wenn Brussig von seiner ersten großen Liebe Ninette oder seinem unehelichen Sohn Paul erzählt. Mit seiner Frau Sabine, der Europameisterin im Seilspringen, findet Brussig ein besonders treffendes Bild für das Auf-der-Stelle-Rumgehopse des DDR-Staats.

Thomas Brussig, der unter anderem 2012 mit dem Deutschen Comedy-Preis ausgezeichnet wurde, liest am Samstag, dem 5. März 2016 um 20 Uhr im Gemeindezentrum der Evangelischen Dorfkirche, Prierosser Str. 70-72. Die Brussig-Lesung ist die Hauptveranstaltung von „Rudow liest 2016“, dem von Mitgliedern der Aktionsgemeinschaft Rudow entwickelten Lesefestivals. Der Eintritt ist wieder – wie auch bei den anderen Lesungen – frei. Die Honorarkosten für die Autoren aller Lesungen werden von den jeweiligen Veranstaltern getragen. Zugang zur Brussig-Lesung erlangt man jedoch nur mit unentgeltlichen Eintrittskarten, die ab Mitte Februar im Akustikerfachgeschäft GanzOhr, in der Buchhandlung LEPORELLO und im TUI-Reisecenter vorliegen. 

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